Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
tauchten plötzlich zwei Gestalten auf der anderen Seite des Schuppens auf, und sie hörte Seffs Stimme: «Ich weiß wirklich nicht, wo Regina geblieben sein könnte –»
Modesty wirbelte linksherum. Seff und Wish standen ihr auf fünfzehn Schritt Auge in Auge gegenüber.
Das Gewehr hing nutzlos am Riemen in ihrer Linken.
Jack Wishs Hand zuckte nach dem Colt. Auch Modesty zog vom Leder und feuerte aus der Hüfte. Noch ehe er zielen konnte, schleuderte es Jack Wish das Schießeisen aus der Hand. Das 32er-Geschoß war ihm ins Herz gedrungen. Es war vorüber, bevor Seff richtig bemerkt hatte, was da geschah.
Modesty sah Wishs untersetzte Gestalt zu Boden gehen. Jetzt zielte Sie auf Seff. Der warf die leeren Hände in die Luft und sagte mit schriller, angstvoller Stimme:
«Ich suche Regina. Wissen Sie, wo sie ist? Sie müßte eigentlich hier sein. Wirklich, äußerst seltsam.»
Irgend etwas glitt durchs Wasser. Modestys Revolver fuhr herum, aber sie schoß nicht. Es waren die vorüberschwimmenden Delphine. Ihre dunklen, geschmeidigen Körper kurvten herum. Die Tiere schienen gereizt.
Jetzt erst bemerkte Modesty, daß sie das Zuggeschirr umgeschnallt hatten und etwas nachschleppten, das nun langsam vorbeitrieb … Ein knochiges, bestrumpftes Bein ragte aus einem formlosen Kleiderbündel. Reginas Bein, um dessen Knöchel sich eine Schlinge gelegt hatte. Dann wogten die Kleider sekundenlang zur Seite und gaben ein wachsweißes Gesicht inmitten flutender Haarsträhnen frei.
Seff stieß ein hohes, unartikuliertes Gewieher aus.
Die Delphine wendeten, und hinter ihnen schlug die Flutwelle ans Ufer. Das Zugseil spannte sich abermals, und Regina glitt hinter den unermüdlich auf und ab schwimmenden Delphinen her.
Seff stand wie erstarrt, in seinem totenähnlichen Gesicht zuckte es. «Regina …?» krächzte er ungläubig.
Der Hahn hob sich, als Modesty den Abzug betätigte, um Seff zu erschießen. Doch ein Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren und abducken. Nur der Bruchteil eines Millimeters am Abzug hatte noch zur Auslösung des Schusses gefehlt. Luzifer!
Er lächelte ihr freundlich zu, faßte dann Seff ins Auge und ging an Modesty vorüber auf ihn zu. Jetzt war er in ihrer Feuerlinie. Sie rief ihn an, aber er schien sie nicht zu hören. Sie hätte ihn überholen können, aber eine merkwürdige Vorahnung hielt sie davon ab.
Langsam streckte Luzifer den Arm aus und faßte Seff an der Gurgel. Der machte keinerlei Versuch, sich zu wehren oder zu fliehen.
«Ich habe für dich eine neue Hölle geschaffen, Asmodi», sagte Luzifer mit klarer, trauriger Stimme. «Eine neue Hölle, ganz für dich allein … In deren tiefsten Grund verstoße ich dich nun für alle Zeiten.» Er beugte sich ein wenig vor, packte Seff mit der freien Hand an dem knochigen Schenkel und hob mit einer plötzlichen Bewegung den schwarzen, zaundürren Körper über seinen Kopf. «Für alle Zeiten», wiederholte er.
Seff kreischte auf und zappelte, doch Luzifer schleuderte die klapprige Gestalt mit plötzlicher, erschreckender Kraft über den felsigen Abhang zu seinen Füßen hinaus.
Willie Garvin spähte noch immer zum Ufer hinunter.
Die noch seetüchtigen Boote, zwei große und ein kleineres, stießen soeben ab. Mehr als eine halbe Stunde hatten sie noch gewartet, wahrscheinlich auf Seff, aber jetzt hatte Sangro befohlen, ohne ihn abzufahren.
Von Seff war nichts zu sehen gewesen, auch nicht von seinen Genossen. Willie hatte sehr lange nachgedacht, ob er Sangro umlegen solle, wollte dann aber doch das Risiko nicht auf sich nehmen. Vielleicht gab es noch dringendere Dinge – sie konnten mit dem einzelnen Schuß zusammenhängen, der vor zehn Minuten gefallen war.
«Glauben Sie, daß Modesty geschossen hat?» fragte Collier nun schon zum drittenmal.
«Hat so geklungen», gab Willie geduldig zur Antwort. «Sie hat mir aufgezählt, was die Moros alles bei sich haben, aber das waren schwerere Waffen als eine 32er.»
Ein Lichtstreif begann sich über dem Bergkamm zu zeigen, und die Flammen des niederbrennenden Hauses wurden blasser und blasser in der aufkommenden Dämmerung.
«Jetzt muß Dall mit seinem Kahn bald hier sein», sagte Willie.
«Und was machen wir bis dahin?»
«Warten.»
Collier suchte die nervöse Ungeduld, die ihm Willies lakonisches Gehaben verursachte, zu bemeistern.
«Aber wenn Seff und die andern Modesty in Schwierigkeiten bringen?»
«Das würden wir hören.»
«Sollten wir nicht lieber nachsehen?»
«Nein. Nicht,
Weitere Kostenlose Bücher