Modesty Blaise 03: Die Lady reitet der Teufel
weiter draußen gefangen hatte.
«Sie schleppen ihn durch die ganze Bucht?» fragte Collier.
«Jawohl, Señor. Aber erst warten, bis ein bißchen älter.»
«Bis er in Verwesung übergeht?» Collier hielt sich die Nase zu und machte mit der anderen Hand eine fächelnde Bewegung.
«Dann ist er am besten, damit andere Haie nicht kommen. Ich ziehe ihn viermal am Tag. Dann ist Wasser sicher für Schwimmen. Der alte Hai ist da draußen.»
Wo die kleine Bucht sich ins Meer öffnete, ragte der Oberteil eines Netzes aus dem Wasser. «Ist schon ganz kaputt», fuhr García fort. «Fällt auseinander. Morgen ist dieser da gerade recht.»
Collier verzog das Gesicht und schnüffelte. «Er ist schon ganz schön durch. Aber er ist mir noch immer lieber als manche meiner Tischgenossen. Wenn wir unseren schwarzrockigen Spaßmacher so weit bringen könnten, müßten Sie ihn nur einmal in der Woche durch die Bucht ziehen.»
«Señor meinen?» Gracia starrte Collier verständnislos an.
«Ach, lassen wir das.» Collier nickte dem andern freundlich zu und schlenderte dann am Ufer des Wasserarms weiter. Er hatte mit García nur gesprochen, um sich die Zeit bis zum Erscheinen Modestys zu vertreiben. Jetzt sah er sie, ganz in Rot, den Hügel herabkommen, welcher das Haus den Blicken verbarg. Sie hatten diesen Treffpunkt mit ein paar schnellen Worten gleich nach dem Frühstück vereinbart.
Drei Moro-Wächter waren in Sicht, einer auf dem Hügel und zwei weitere auf dem flachen Strand jenseits des Wasserarms, doch Modesty selbst hatte keinen Begleiter. Das war neu, überlegte Collier, denn Luzifer wich ihr jetzt kaum von der Seite.
Drei Wochen waren nun vergangen, seit Modesty Luzifers Geliebte geworden war. Zunächst hatte sich Collier nur erleichtert darüber gefühlt, daß Modesty der unmittelbaren Gefahr entronnen war. Dann waren Eifersucht und Ressentiment gefolgt, doch hatte er das als eines reifen Mannes unwürdig abgetan. Und jetzt machte er gute Miene zum bösen Spiel.
Niemand konnte übersehen, daß Luzifer glücklich war. Fast schien er noch gewachsen zu sein, und sein Benehmen hatte jetzt etwas Königliches. Trotzdem machte er willig bei den vielen Experimenten mit, was auf Modestys Einfluß zurückzuführen war. Luzifer führte all die Tests für Bowker und Collier so gutwillig und gelassen aus wie ein Erwachsener, der Kindern ihren Spaß nicht verderben will.
Seine Exaktheit hatte sich beträchtlich verbessert.
Aber Collier hatte es fertiggebracht, Statistiken aufzustellen, mit denen Bowker nichts mehr anfangen konnte, und die alle Resultate als noch besser auswiesen, als sie waren. «Zeit gewinnen», hatte Modesty gesagt, und Collier handelte danach.
Seine Hauptsorge war Seffs offensichtliches Mißfallen an Modestys wachsendem Einfluß auf Luzifer. Sie spielte diesen Einfluß nicht aus, aber er war da, das konnte man Luzifer ansehen. Er ließ sich nun von Seff und Bowker viel schwerer manipulieren, und von Zeit zu Zeit gab er den beiden strikte Befehle in seiner Eigenschaft als Luzifer, so daß sie befolgt werden mußten.
Collier fragte sich, wie lange Seff dem zusehen würde, ehe er zu dem Schluß käme, daß der Nachteil, Modesty leben zu lassen, die Vorteile überwog.
Für den Augenblick aber war dieser Druck von Collier genommen, denn Seff war mit anderem beschäftigt.
Ein weiteres seiner Opfer hatte sich zur Zahlung bereit erklärt, und noch heute nacht sollte die Übergabe auf dem Meer erfolgen, nur vierzig Meilen westlich von hier. Zur Zeit konferierte Seff mit seinen Gefährten. Sie hatten nicht nur das Auffischen der Beute zu besprechen; auch Jack Wish war nach zwölftägiger Abwesenheit zurückgekehrt. Er war in jenen grausamen Geschäften unterwegs gewesen, welche ihm in Seffs Gesamtplan zukamen, und hatte nun seinen Bericht zu liefern.
Modesty blieb stehen und wartete, bis Collier herangekommen war, dann wandte sie sich und schritt langsam neben ihm hangaufwärts zur Höhe des Kliffs.
«Wo ist dein Freund?» fragte Collier und war überrascht, weil er es ohne jede Bitterkeit sagen konnte.
«Er schläft.»
«Mitten am Nachmittag?» Collier hob die Brauen.
«Sonst geht er doch um diese Zeit immer schwimmen?»
«Er ist draufgekommen, daß man am Nachmittag auch etwas anderes tun kann als schwimmen. Und er schläft nachher wie ein Klotz.»
Collier seufzte. «Nach der Reise zum Mond?»
«Na, na, mach kein Theater daraus, Steve.»
«Tu ich ja gar nicht – zu meinem größten Erstaunen übrigens.
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