Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
Unterton in ihrer Stimme wahr und holte tief Atem, um sich zu konzentrieren.
«Hör zu, ich weiß nicht, wie lange sie uns beieinander lassen; deshalb mußt du mir gleich sagen, wo sie dich festhalten. Das ist das wichtigste. Wenn ich das erst einmal weiß, kann ich vielleicht was unternehmen.»
«Oh, hinter dem Kraftwerk, neben dem Treibstoffdepot, steht ein kleines, aus Ziegeln gemauertes Haus. Da drin halten sie mich gefangen.»
«Aha. Hast du ihnen irgendwas gesagt?»
«Du meinst die Koordinaten? So bin ich nicht. Nicht, daß ich ein großer Held wäre oder so.» Er lachte kurz und schrill auf. «Ich brülle jedesmal wie am Spieß, wenn sie mir einen Zehennagel ausreißen. Ein Wunder, daß du mich noch nicht gehört hast, aber wahrscheinlich geht es im Lärm der Generatoren unter. Nein, ich habe beschlossen, ihnen lieber nichts von den Koordinaten zu sagen, denn sobald ich das täte, würden sie mich umbringen, und darauf bin ich nicht besonders scharf.»
«Aber – wie lange hältst du das noch aus, Giles?»
«Darüber hab ich eigentlich noch nicht nachgedacht. Ich hab nur noch fünf Zehennägel, aber wenn die auch weg sind, wird der silberhaarige Saukerl wahrscheinlich was anderes anfangen. Bis jetzt nehme ich die Dinge, wie sie kommen, und hoffe, daß irgendwann mal Schluß sein wird.»
Sie war so wütend auf sich selbst, daß ihr schlecht wurde. Er mußte es gespürt haben, denn er drückte ihren Arm und sagte: «Mach dir keine Sorgen, Mädchen – oh, Verzeihung, das ist mir so rausgerutscht. Wir halten uns einfach tapfer, bis dir was einfällt, ja? Ich hatte schon ein bißchen Angst, sie würden auf den Gedanken kommen, ich wüßte absolut
nichts
mehr von dem, was der arme alte Nowikow vor sich hin gelallt hat, und würden mich kurzerhand abservieren. Aber ich bin da unwahrscheinlich pfiffig gewesen. Es ist mir gelungen, diesem kleinen Dreckskerl Brunel zu suggerieren, daß ich mich vielleicht vage an etwas erinnern könnte, was mir nur im Augenblick entfallen ist. Deshalb geben sie die Hoffnung nicht auf, verstehst du? Aber wie geht’s denn dir immer so, Liebling?»
«Bei mir probieren sie es auf die weiche Tour, Giles. Sie wollen mich brechen, aber mit relativ schmerzloser Gehirnwäsche.»
«Ja … Schau mich mal einen Moment an, Modesty.»
Seine Stimme hatte einen autoritären Unterton, einen Unterton, den sie früher bemerkt hatte, wenn er mit Patienten sprach. Sie drehte den Kopf und mußte die Lippen fest zusammenpressen, während sie ihm in sein eingefallenes Gesicht schaute. Obwohl die Augen tief eingesunken waren, waren es noch immer Giles Pennyfeathers Augen, in denen ein durchaus unauslöschbarer Geist glomm, dessen Art ihm völlig unbewußt war.
Eine Welle der Demut und Zuneigung durchströmte sie, und gleichzeitig spürte sie, wie ihre alte Willenskraft wieder aufloderte.
Er runzelte die Stirn und verzog den Mund, als versuchte er einen Gedanken zu formulieren, der noch keine rechte Gestalt annehmen wollte. Schließlich sagte er: «Warst du in letzter Zeit ein bißchen verwirrt? Ich meine, ich weiß, daß die ganze Situation ziemlich hoffnungslos ist, und die meisten Leute würden nicht mehr aus noch ein wissen. Aber du hast doch schon öfter in so einem Schlamassel gesteckt. Schärft dir eine solche Situation nicht normalerweise die Sinne? Ich meine, siehst du dann nicht klarer und so?»
«Normalerweise schon. Das ist es ja, was mich so beunruhigt, Giles. Anscheinend sind mir die Fähigkeiten, die man dazu braucht, abhanden gekommen.»
Er lachte kurz auf. «Das wundert mich nicht. Komm, gehen wir weiter. Weißt du, es gibt keine offensichtlichen Symptome, die du in einem medizinischen Lehrbuch finden würdest, aber dein Blick ist so komisch. Ich bin verdammt sicher, daß sie dir eine von diesen thymoleptischen Drogen verabreichen.»
«Was?» Seine Worte trafen sie wie eine kalte Dusche, erschreckend und doch belebend.
«Thymoleptika. Es gibt mehrere Arten, aber im wesentlichen sind es Drogen, die einen gesunden Menschen verwirren, ihm die Fähigkeit rauben, sich zu konzentrieren.»
Sie zwang sich, ihre Schritte seinem humpelnden Gang anzugleichen, aber ihre Finger gruben sich vor Erregung in seinen Arm, und die Erleichterung war so groß, daß ihr fast schwindlig wurde. Sie flüsterte: «Das Wasser. Könnte man das Zeug in Wasser auflösen, Giles?»
«Aber ja, natürlich. Es kann oral verabreicht werden.»
Der Wasserkrug in ihrem Schlafzimmer. Sie wußte es jetzt mit
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