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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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mich mit ein paar autogenen Übungen, um die Müdigkeit zu vertreiben. Das einzige, woran ich mich erinnere, ist, daß Janet nach einer langen Weile etwas unsicher, als wüßte sie nicht genau, wie ich reagieren würde, fragte: «Willie … du hältst schrecklich viel von Modesty, nicht wahr?»
    Nun, ich versuche nicht oft, unser Verhältnis zu erklären, weil es sich nicht erklären läßt. Aber Janet hatte ein Recht auf eine Antwort. Es ist eine lange Geschichte, und ich konnte sie nur in Schlagworten erzählen, die nicht viel besagen. Lange Zeit war ich ein dummer, bösartiger, verklemmter Tunichtgut, der alles und jeden haßte und fortwährend in Schwierigkeiten geriet. Dann kam die Prinzessin. Sie war damals erst zwanzig, aber sie hatte bereits zwei Jahre lang «Das Netz» geleitet und war schon ganz groß. Sie las mich aus der Gosse auf, genauer gesagt sie holte mich aus dem Kittchen heraus, gab mir einen Job und vertraute mir. Es war, als würde ich geschmolzen und in eine neue Form gegossen. Ich wurde … nun, ich wurde ein anderer Mensch.
    «Ein anderer Mensch. Versuch dir jemanden vorzustellen, der immer in Stockfinsternis gelebt hat, auf dem Grund des Meeres herumtappte und dann auf einmal feststellt, daß er im Freien leben darf, in Luft und Sonne. So war das. Oder wie wenn man plötzlich merkt, daß man fliegen kann wie ein Vogel. So anders, so neu war das.»
    Als ich aufgehört hatte, nach Worten zu suchen, um Janet alles zu erklären, dachte sie eine Weile nach und sagte dann langsam: «Ich habe eine Ahnung, was du meinst, Willie. Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der immer … immer heiter ist.» Sie blickte mich an. «Ich verstehe, was sie für dich bedeutet. Vielleicht hat es auch eine Menge für sie bedeutet, dich zu finden.» Sie lächelte – ein gelöstes, freundliches Lächeln, und legte ihre Hand an meine Wange. «Gut. Sie ist deine Prinzessin, und du bist ihr treuer Vasall. Es bleibt noch eine Menge übrig, und damit gebe ich mich zufrieden.»
    Um halb drei setzten wir zur Landung an. Jock Miller hatte zwei Autos auf dem Parkplatz stehen. Ich wählte den Jaguar E und legte meine Tasche hinein.
    Als ich Jock Lady Janet vorstellte, wurde sein vernarbtes, boshaftes kleines Gesicht ganz rot vor Freude. Ich will nicht behaupten, daß er ein Snob ist, aber er würde mit Vergnügen ein Breitschwert für die Aristokratie schwingen, vorausgesetzt, daß es sich um die schottische handelt. Ich sagte ihm, daß Modesty in Rodelles Händen sei, und in seine Augen kam ein böser Ausdruck. Von seinen lächerlichen ein Meter vierzig sah er zu mir auf und sagte: «Ich borg mir ein Rasiermesser aus und begleite dich, Willie.»
    «Das wirst du bestimmt nicht tun, Jock», erwiderte ich. «Es muß ganz heimlich und leise vor sich gehen, und einer ist leiser als zwei. Du kümmerst dich um Lady Janet und bringst sie in einem guten Hotel unter. Ich ruf dich an, sobald ich kann.»
    Ich nahm Janet zum Abschied in die Arme, und sie drückte mich einen Augenblick lang fest an sich. Dann stieg ich in das Auto und fuhr los. Im Rückspiegel konnte ich die beiden mir nachschauen sehen, bis ich aus ihrem Blickfeld verschwand.
    Der Schnee war geschmolzen und die Straße trocken. Ich kam schnell nach Loch Lomond und verlor nur wenig Zeit auf der Straße durch die Grampians.
    Kurz nach Rannoch Moor und der langen Kurve nach Fort William kam eine Abzweigung nach Norden. Eine halbe Stunde später war ich auf einem Feldweg, der nach Glencroft Castle führte. Es war noch mehr als einen Kilometer entfernt, doch vorsichtshalber fuhr ich ohne Licht. Nach einem weiteren halben Kilometer ließ ich den Wagen auf einem kleinen Parkplatz stehen, nahm meine Tasche und ging zu Fuß weiter.
    Es war noch nicht vier, und hier im Norden begann die Dämmerung erst nach acht Uhr, das wußte ich. Ich fühlte mich leicht und unbeschwert. Ich war angekommen, ich hatte genügend Zeit und ich hatte die Initiative, das war auch das wichtigste. Rodelle glaubte mich in Fitchs Auto und bestenfalls kurz nach den Midlands.
    Glencroft entsprach Janets Beschreibung; es war ein Miniaturschloß, umgeben von einer etwa zehn Meter hohen, mit Schießscharten versehenen Mauer. Da das Schloß bloß dreigeschossig war, schien die Mauer völlig unproportioniert. Aber Gott allein weiß, warum überhaupt jemand auf diesem Fleck ein Schloß erbaut hat.
    Es schützte nichts, außer bestenfalls den, der darin war.
    Doch da die Clans einander ständig befehdeten, war

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