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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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wurde mir klar, daß ich mir das Zimmer ausgesucht hatte, wo die Prinzessin eingeschlossen war; der Wärter hatte sie soeben zurückgebracht.
    Ich zog mich auf, bis ich über den Fenstersims sehen konnte. Der Mann ging eben hinaus, und bevor er die Tür schloß, erblickte ich einen an der Außenseite angebrachten Riegel. Die Prinzessin saß auf einem eisernen Bettgestell ohne Matratze. Abgesehen von einem Holzstuhl war das Zimmer völlig leer. Ich werde niemals erfahren, wie ich mit einer Hand wieder auf den Fenstersims kam, aber nach ungefähr hundert Jahren hatte ich es geschafft.
    Die Prinzessin hatte ihre Stellung verändert und kauerte auf dem Boden neben einem Fuß der Bettstatt.
    Sie drehte sich, als wolle sie eine seitliche Rolle machen. Ich nahm an, daß es ihr gelungen war, die mit einer Zange zusammengedrehten Drahtenden in eine Spalte des Bettgestells zu schieben. Jetzt versuchte sie, die Enden auseinander zu bekommen. Wenn sie das schon lange probierte, war das Blut, das ich an ihren Händen gesehen hatte, nicht verwunderlich.
    Mit einem Fingernagel klopfte ich an die Fensterscheibe. Ihr Kopf wandte sich um, dann stand sie auf und kam zu mir. Das Gesicht an die Eisenstäbe gepreßt, versuchte sie hinauszusehen. Plötzlich leuchtete ihr Gesicht auf. Sie hatte ein sehr eigenes Lächeln, und man erlebt es nur selten, aber ich glaube, so muß die schöne Helena gelächelt haben, als tausend Schiffe für sie ausliefen. Es ist ein Lächeln, bei dem die Augen funkeln und lachen und tanzen, warm wie Sonnenschein.
    Dann war es vorüber, und nur noch der Widerschein blieb zurück, als sie die Brauen hochzog. Ich nahm einen Glasschneider aus meiner Jackentasche, schnitt in die untere Ecke des Glases einen Viertelkreis und klopfte ihn locker. Sie beugte sich zu dem Loch, und ich flüsterte: «Das Gitter?»
    «Auf einer Seite in einem Scharnier, auf der anderen Seite ein Vorhängeschloß. Hast du einen Dietrich bei dir, Willie?»
    Ich hatte ein Dutzend Dietriche. Ich legte sie alle auf meine Handfläche und streckte sie durch das Loch und die Stäbe. Sie drehte sich um, damit ihre Hände zu den Dietrichen gelangen konnten, und nahm das Werkzeug, das sie brauchte. Dann holte sie den Stuhl, stellte ihn unter eine Seite des Fensters, stieg hinauf und drehte mir den Rücken zu, um an dem Vorhängeschloß arbeiten zu können.
    Nach etwa zwei Minuten kletterte sie vom Stuhl und nickte mir zu. Ich langte durch das Loch im Glas und gab dem Gitter einen Stoß. Es öffnete sich nach innen. Sie schob den Stuhl etwas weiter, stieg nochmals hinauf, und es gelang ihr, den Fensterrahmen auszuhängen. Zehn Sekunden später stand ich neben ihr.
    Jetzt, da sie mich im vollen Licht sehen konnte, starrte sie mich an, und diesmal lächelte sie nicht. Ich nehme an, ich war etwas blaß und auf einer Seite hatte ich einen Buckel. Sie flüsterte: «Du siehst aus wie Pergament – was hast du mit deiner Schulter gemacht, Willie?» Ich begann es ihr zu erklären, aber ich kam nicht weit. Vermutlich war es die Reaktion auf die Erleichterung, sie gefunden zu haben, die mich die Beherrschung des Schmerzes verlieren ließ; plötzlich schien die Schulter zu brennen wie Feuer. Alles wurde grau und verschwommen, und ich gelangte eben noch zum Bett, bevor ich das Bewußtsein verlor.
    Es dauerte nicht länger als eine oder zwei Minuten, glaube ich, doch als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Rücken und mein Sack war abgeschnallt. Die Hände der Prinzessin waren zwar immer noch gefesselt, aber jetzt hatte sie diese vor sich. Es war ihr gelungen, Gesäß und Beine durch die Arme zu zwängen. Versuchen Sie das einmal mit einem Stacheldraht um die Handgelenke. Sie stand an der Tür und lauschte. Ich sah, daß ihre Slacks arg zerrissen waren, und jetzt hatte sie auch Blut auf den Hüften.
    Sie merkte, daß ich wieder bei Bewußtsein war, und flüsterte: «Er wird bald zurück sein; man läßt mich nie länger als zehn Minuten allein.» Sie kam rasch zu mir. «Muß zuerst deine Schulter in Ordnung bringen, Willie. Schlaf noch ein paar Sekunden.» Ihre Hände legten sich locker um meinen Hals, und ich spürte einen leichten Kratzer von den Drahtstacheln auf meiner Brust. Dann begannen ihre Daumen gleichmäßig auf meine Halsschlagader zu drücken. Ich spürte gar nicht, daß ich das Bewußtsein verlor. Ich war einfach weg. So wirkt ein Schläfergriff. Ich wußte, was sie tun würde, und war froh, die nächste halbe Minute unbeteiligt zu sein.
    Sie würde

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