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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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Sekunde später knipste sie die Taschenlampe an.
    Wir sahen uns um. Wer immer diesen Ostflügel für baufällig erklärte, hatte nur zur Hälfte recht. Er hätte die ganze Halle zwischen den beiden Trakten als ganz besonders baufällig erklären müssen. In unserer Nähe war nicht allzuviel heruntergekommen, doch dort, wo der Mittelteil an den Flügel anschloß, gab es nur noch einen riesigen Steinhaufen, aus dem die geborstenen Trag- und Querbalken herausragten.
    Zweifellos war das Dach Rodelles Männern auf den Kopf gefallen, und das war gut so. Weniger gut war die Tatsache, daß wir eingeschlossen waren. Die Prinzessin drehte die Taschenlampe ab, und wir warteten, bis unsere Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Nach etwa fünf Minuten berührte sie mich und sagte:
    «Hier, Willie.» Ich spürte ihrem Arm nach, um herauszufinden, wo sie hinzeigte. In der angegebenen Richtung sah ich in einem an der Wand aufgehäuften Trümmerberg einen schmalen Spalt, durch den ein wenig Licht einfiel – Mond- oder Sternenlicht.
    Ich brauchte eine Stunde, um den Spalt zu erweitern, und wir verbrachten die meiste Zeit damit, Steine aus dem Weg zu schaffen, die Cheops für seine Pyramide hätte gebrauchen können. Wir mußten sie ganz vorsichtig bewegen, immer nur ein paar Zentimeter, und dann wieder warten, was mit dem übrigen Berg geschah, bevor wir sie weiter verschoben.
    Eine fast gebrauchsunfähige Schulter machte die Sache nicht besser, doch ich bin zum Glück ziemlich stark, und ich glaube, die Prinzessin ist – relativ zu ihrem Gewicht – noch stärker. Ich weiß nicht, wo sie ihre Kraft versteckt, denn Muskelpakete hat sie keine.
    Schließlich hatten wir einen Querbalken freigelegt, und als wir ihn herauszogen und der Staub sich gesetzt hatte, sahen wir einen engen Tunnel, der durch die Trümmer zum Erdgeschoß führte. Das Licht kam durch ein Fenster mit geöffneten Vorhängen. Im Schein der Taschenlampe studierte die Prinzessin eine Weile diesen gefährlich labilen Ausstieg, dann meinte sie: «Besser wird er nicht werden, also versuchen wir es.» Wir verloren kein Wort darüber, wer es als erster riskieren sollte. Sie wog fünfzehn Kilo weniger als ich, daher mußte sie es versuchen. Eben begann sie, das erste Stück hinaufzukriechen, als irgendwo eine Stimme sagte: «Bitte …»
    Sie war nicht laut, aber ganz deutlich, und das Echo im Keller ließ das Wort so unheimlich im Raum hängen, daß mir die Haare zu Berge standen. Wir erstarrten. Dann kroch die Prinzessin zurück und wies in eine Richtung. Ich nahm die Taschenlampe, und wir gingen auf einen großen Trümmerhaufen zu, dort, wo der Mitteltrakt in den Seitentrakt gemündet hatte.
    Hier entdeckten wir Rodelle, und das erklärte auch das verzögerte Kommen der Männer. Sie hatten eine Weile gebraucht, ihn in seinem Rollstuhl die Treppe herunterzutragen. Als sie vorrückten, mußte er sich entlang der Südwand – der hinteren Wand des Mitteltrakts – vorwärtsgeschoben haben. Sein einziges Motiv war vermutlich der Wunsch, beim Endkampf dabei zu sein. Sein Hauptplan war danebengegangen, und er wußte, daß er uns niemals lebend fangen würde, so wollte er wenigstens das Schauspiel unseres Todes mitansehen. Ich nehme an, daß ihn ein Pfeiler schützte, als die Granate platzte.
    Zuerst dachten wir, er sei aus dem Erdgeschoß heruntergefallen, aber er steckte unter einem Balken und mußte bereits unter ihm gewesen sein, als die Decke einstürzte. Der Rollstuhl hatte ihn gerettet. Er war samt Rodelle auf die Seite gefallen, halb bedeckt von Schuttmassen, und darüber lag dieser Balken. Der Stuhl war teilweise eingedrückt, hatte aber verhindert, daß Rodelle von dem Balken zerquetscht wurde. Er sah schlimm aus, aber wir wahrscheinlich auch.
    So war das also. Vor einer Stunde waren wir darauf aus gewesen, ihn zu töten. Jetzt untersuchten wir den Balken und überlegten, wie wir ihn befreien könnten.
    Fragen Sie mich nicht, wie das zu erklären ist, es war so. Seine flachen, blicklosen Augen starrten aus einem staubbedeckten Gesicht ins Licht, und er sagte nochmals: «Bitte.»
    «Wenn du unter diesen Balken kriechen und ihn ein wenig heben könntest, Willie …» sagte die Prinzessin.
    Ich tat es. Er erdrückte mich beinahe, und es war, als höbe sich das ganze Schloß. Es gelang ihr, Rodelle an den Schultern herauszuziehen, seine gelähmten Beine schleiften hinten nach. Ich senkte den Balken wieder die paar Zentimeter, die ich ihn gehoben hatte, und kroch

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