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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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Mond ging langsam unter, und man konnte alles klar erkennen. Es war halb sieben und noch lange vor Sonnenaufgang.
    Plötzlich spürte ich ein Kitzeln am Ohr, ein untrügliches Zeichen, daß Gefahr im Anzug war. Ich drehte mich um und sah es wie ein Gemälde vor mir. Rodelle hatte eine kleine Automatic in der Hand. Er saß an die Mauer gelehnt, die Faust mit der Waffe lag in Augenhöhe auf seinem linken Arm. Er zielte sehr sorgfältig auf die Prinzessin, die, halb abgewandt, nur sechs Schritt von ihm entfernt war.
    Irgendwie mußte ich die Automatic übersehen haben, als ich ihn durchsuchte, und jetzt würde er sie töten. Nicht mich. Denn damit würde er mich kreuzigen.
    Ich bin schnell mit einem Messer, aber niemals habe ich so rasch ein Messer gezogen und geworfen wie damals. Es waren bloß zwanzig Schritt, und auf diese Entfernung kann ich eine Streichholzschachtel seitlich spalten, aber ich riskierte nichts.
    Seine Brust konnte ich nicht sehen, weil sie von seinem Unterarm bedeckt war, doch ich konnte den Hals über dem Arm ausnehmen. Das erste Messer streifte die Hand mit der Waffe und ging geradewegs in seinen Hals. Seine Hand fuhr ruckartig in die Höhe, und ein Schuß pfiff durch die Luft auf das Schloß zu. Ich hörte, wie er in ein Fenster einschlug, als das zweite Messer unterhalb des Brustknochens in Rodelles Herz drang.
    Fast ohne einen Laut sank er zur Seite. Ich sah, wie die Prinzessin langsam den Kopf wandte, und ging zu Rodelle hinüber. Sein rechtes Hosenbein war fast bis zum Knie hinaufgeschoben, und am Bein klebten zwei Pflasterstreifen.
    Jetzt stand die Prinzessin neben mir, und in ihren Augen lag ein seltsamer Ausdruck, weil sie – als sie eben begann, alles zu verlangsamen – so abrupt in die Wirklichkeit zurückgerissen worden war. Ich wies auf Rodelle und sagte: «Die Automatic war an seinem Bein angeklebt. Tut mir leid, Prinzessin.»
    «Glaubst du, ich hätte sie nicht übersehen?» sagte sie.
    Ich widersprach nicht. Ich packte Rodelle, und wir gingen zurück zum Schloß und stiegen durch dasselbe Fenster wieder ein. Am Ende des Lochs, durch das die Prinzessin ihn hinaufgezogen hatte, zog ich die Messer aus seiner Brust und seinem Hals. Er blutete kaum. Er war sehr tot. Ich stieß ihn, Kopf voran, durch den Tunnel. Er glitt zwei Meter hinunter und blieb stecken.
    Die Balken ächzten und stöhnten, während ich herumtrampelte, doch jetzt, wo wir wollten, daß sie zusammenbrachen, hielten sie stand. Ich zog die zweite Handgranate heraus, entsicherte sie und warf sie so, daß sie auf Rodelle fiel und dann weiter herunterrollte. Wir warteten nicht. Wie Windhunde beim Start sausten wir aus dem Fenster und liefen und liefen. Fünf Sekunden später hörten wir die Explosion, gefolgt von Krachen und Bersten. Als es ruhig wurde, gingen wir zum Fenster zurück. Der gesamte Boden des Erdgeschosses war eingestürzt. Rodelle lag mit seinen Freunden begraben, und vermutlich würden sie ziemlich lange dort unten liegen, wenn nicht für immer. Niemand mit einem Rest von Verstand würde versuchen, Glencroft Castle wieder aufzubauen.
    Wir gingen fort und durch das große Tor. Auf der einen Seite stand ein alter Schemel. Die Prinzessin sagte:
    «Willie …» und wandte sich mir zu. Ich legte meine Arme um sie, setzte mich auf den Schemel, zog sie auf meinen Schoß und hielt sie eng an mich. Sie weinte lautlos.
    Ich konnte nur ihr leichtes Zittern spüren, und ihre Tränen näßten meinen Hals. Das geschieht nicht oft nach unseren Eskapaden, doch diesmal war es eine echte Zerreißprobe für die Nerven gewesen, besonders ihr Anteil.
    Jetzt fühlte ich etwas ganz anderes als vorhin, während sie meine Schulter einrenkte. Wenn sie, so wie jetzt, meine Hilfe braucht, werde ich um zwei Meter größer. Ich schwatzte vor mich hin und machte dann und wann einen Witz, bis sie ganz ruhig und gelöst war. Dann setzte sie sich auf, borgte sich mein Taschentuch und putzte die Nase. Durch die grauen Staubstreifen auf ihrem Gesicht lachte sie mich an. Ich sagte: «Weng sitzt in der Sporthalle der
Treadmill
und hält Fitch die Pistole an die Brust.»
    Wir standen auf und gingen einen Kilometer bis zu der Stelle, wo ich den Wagen geparkt hatte. Jetzt standen zwei Autos dort. Lady Janet Gillam war da, mit einem Sportgewehr bewaffnet, und neben ihr stand Wee Jock Miller.
    Jock sagte: «Bei Sonnenaufgang wollte sie nach dir fragen. Wenn sie in zehn Minuten nicht zurück wäre, sollte ich die Polizei holen.» Nun, Scotland Yard

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