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Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten

Titel: Modesty Blaise 06: Die Lady macht Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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hätte sehr rasch nach Lady Janet gesucht, aber ich bezweifle, ob man sie lebend angetroffen hätte.
    Die Prinzessin sagte: «Hallo, Janet. Danke für all Ihre Hilfe.» In ihrer Stimme klang viel mehr mit, als Worte ausdrücken können.
    Janet lächelte sie an, mit einem freundlichen Lächeln, dann blickte sie uns beide an und meinte: «Jock hat eine Dusche in seiner Garage. Fahren wir los.»
    Die Prinzessin sagte: «Ich fahre mit Jock», stieg in sein Auto und überließ den Rover Janet und mir.
    «Bist du irgendwo verletzt unter dieser Dreckschicht?» fragte Janet. Aber ihre Stimme begann zu zittern, und sie brachte die Worte kaum hervor. Dann sah ich Tränen auf ihren Wangen. Ich wollte sie umarmen und ihr sagen, daß alles in Ordnung sei, aber ich war schmutzig von oben bis unten, also hielt ich mich zurück. Nicht ganz Herr ihrer Stimme flüsterte Janet: «Vergiß den Schmutz. Warum, zum Teufel, glaubst du, ist sie vorgefahren? Wir sind nicht alle aus Stahl. Und sie merkte, daß ich heulen würde. Also halt mich fest, Willie.»
    Das tat ich. Sie war die zweite innerhalb von zehn Minuten. Aber das sagte ich Lady Janet nicht.

Ein besserer Tag zum Sterben
    Reverend Leonard Jimson verschränkte seine langen Finger und versuchte, seinen Haß nicht auf die dunkelhaarige junge Frau zu übertragen, die neben ihm saß.
    «Der Fluch unserer Welt», sagte er leidenschaftlich, «ist die Gewalttätigkeit.
Sie
sind ein Apostel und ein Verfechter der Gewalttätigkeit.»
    «Niemals ein Apostel und nur selten ein Verfechter, Mr. Jimson. Ich versuche immer ernsthaft, das zu vermeiden.» Modesty Blaise sagte es zerstreut. Sie bekam allmählich genug von diesem fanatischen jungen Missionar, der mit ihr auf den Hintersitzen eines kleinen Autobusses saß. Das uralte Fahrzeug ratterte die schlechte Straße entlang, die nordwärts nach San Tremino führte.
    «Bitte, glauben Sie nicht, mein Haß und mein Abscheu seien gegen Sie persönlich gerichtet. Ich versichere Ihnen, das ist nicht der Fall», sagte Leonard Jimson eifrig, und die glühenden Augen in seinem langen, knochigen Gesicht starrten durch das von Fliegendreck beschmutzte Fenster in die sengende Sonne.
    «Mein Beruf verpflichtet mich, die Menschheit zu lieben und nur ihre üblen Taten zu hassen. Die Sünde zu hassen, nicht den Sünder, wenn Sie verstehen, was ich meine.»
    «Ja», sagte Modesty Blaise. Es würde noch gute drei Stunden dauern, bis der Bus seinen Weg durch die kahlen, einsamen Hügel zurückgelegt und San Tremino erreicht hatte. Widersprach man Jimson, so stimulierte man damit bloß seinen missionarischen Eifer.
    Besser, man hoffte, daß er mangels eines Widerstandes endlich aufhören würde – groß war die Hoffnung allerdings nicht. Seit einer Stunde schon redete er ununterbrochen, fast von dem Augenblick an, als sie Orsita verlassen hatten, und noch immer deutete nichts darauf hin, daß er des Themas müde werden würde.
    Sie hatte den fatalen Fehler begangen – weil sie ihm verpflichtet war –, ihn während der ersten, weniger apodiktischen Stadien seiner Predigt nicht mit einer scharfen Bemerkung zum Schweigen zu bringen. Und jetzt war es zu spät. Er wurde von den schäumenden Wogen seiner Leidenschaft weiter und weiter getrieben.
    Gestern abend waren sie und Willie Garvin mit dem Auto in Orsita eingetroffen und in dem einzigen Hotel abgestiegen, das in der kleinen Stadt zu finden war. Die übrigen Gäste waren Reverend Leonard Jimson, in dessen Obhut sich zehn saubergewaschene, aber ärmliche Mädchen von etwa fünfzehn Jahren befanden, und der ältliche, dunkelhäutige Chauffeur des noch ältlicheren Schulbusses. Innerhalb der ersten halben Stunde nach ihrer Ankunft berichtete Willie Garvin – seine Neugierde war ebenso groß wie sein Talent, diese zu befriedigen –, daß der junge Priester mit den fanatischen blauen Augen Jimson hieß, daß er für eine südamerikanische Mission arbeitete, die eine Schule für Waisenkinder in Saqueta unterhielt, und daß er eine kleine Gruppe von entlassenen Schülerinnen nach San Tremino brachte, wo die Mission ihnen bei den wohlhabenden Familien des Ortes eine Stellung als Dienstmädchen verschafft hatte.
    Die normale Hauptstraße lag 30 Kilometer weiter westlich, doch dort machten die Rebellen unter El Mico die Gegend unsicher, so daß Jimson beschlossen hatte, mit seiner kleinen Schar die wenig befahrene Straße durch das Bergland zu wählen. Der übrige Verkehr wich in einem großen Bogen nach Osten aus,

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