Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
natürlich.» Sie drehte sich herum und streckte die langen, bloßen Beine neben der Bank aus.
Grübelnd verzog sie das Gesicht. «Du hast dir viel vorgenommen. Die Sache ist in Ordnung, verlangt nur eine äußerst sorgfältige Planung.» Sie blickte ihn an.
«Entschuldige bitte, aber ich hatte eben eine ganz merkwürdige Empfindung von
déjà-vu
. Ich komme jetzt nicht darauf, worauf es sich bezieht, aber vielleicht kann ich es zurückverfolgen. Wohin willst du die beiden denn bringen?»
«Zuerst mit einem Flugzeug außer Landes. Ab heute in einer Woche wartet Dave Craythorpe mit einer Cessna in Bern. Er fliegt zwei Särge ein, angeblich mit den sterblichen Überresten eines Ehepaars, das nach Istanbul überführt werden soll, um dort beerdigt zu werden. Aber die Särge sind leer, und wir stecken Paxero und Damion hinein. Natürlich nachts, und die beiden werden gut betäubt sein. Die Schweizer kümmern sich nicht um das, was hinausgeht, sondern nur um das, was reinkommt.»
«Bißchen riskant, den Tausch auf einem Flugplatz vorzunehmen, Willie. Besser wäre es, die beiden mit Booten über die Seen nach Frankreich zu schaffen. Dave könnte auf einem der alten Militärflugplätze landen und sie übernehmen.»
Er nickte. «Das ist besser. Ich habe alle erforderlichen Karten im Chalet.»
«Paxero und Damion hinauszuschaffen ist nichts weiter als eine Routinesache. Wo fängt denn der Spaß an, Willie?»
Er lächelte. «Ich hatte vor, sie nach Malaurak zu bringen.» Sie legte einen Finger an die Lippen und dachte angestrengt nach, aber sie kam nicht auf die Pointe der Geschichte. Malaurak war ein Fleckchen Sand, ein winziges Scheichtum auf der arabischen Halbinsel, das von Abu Tahir regiert wurde. Vor zwanzig Jahren, bei ihren einsamen Kindheitswanderungen, hatte sie fast ein Jahr als Ziegenhirtin bei diesem Stamm verbracht. Viel später, in den Tagen des «
Netzes
», wurde Öl in dem Scheichtum gefunden, und bald darauf versucht, Abu Tahir zu stürzen. Da die Bevölkerung von Malaurak nur zwischen drei- und viertausend Seelen zählte und die Hauptdarsteller des Putsches nur ein paar Dutzend, war es bloß eine Miniaturaffäre. Modesty zahlte ihre Schuld an Salz und Brot zurück, indem sie mit Willie Garvin und einer sehr schlagkräftigen, 20 Mann starken Truppe einflog. Das Komplott zum Umsturz wurde innerhalb einer Woche zerschlagen.
Malaurak war jetzt wohlhabend und wohlwollend-feudal. Es gab dort Straßen, Schulen, Autos und ein Bewässerungssystem, aber grundsätzlich war der Kleinstaat auf der Stammesherrschaft aufgebaut. Abu Tahirs Zelt war zu einem Palast von vier Morgen Ausdehnung angewachsen, die Lebensweise darin hatte sich jedoch kaum verändert. Abu Tahir war inzwischen ein alter Mann, und nach seinem Tode würde Malaurak verschwinden, von seinen Nachbarn aufgesogen werden.
Aber bis dahin blieb es ein Stück lebendige Vergangenheit. Nach Malaurak zu reisen bedeutete, die Zeit um hundert Jahre zurückzudrehen. Modesty grübelte weiter. «Verdammt, Willie, ich sehe immer noch nicht den Witz dabei. Abu Tahir könnte sie ein paar Monate lang Ziegen hüten oder Gräben buddeln lassen. Aber da ist doch überhaupt kein Pfeffer darin.»
«Aversionstherapie, Prinzessin. Der Harem.»
Modesty hielt den Atem an, dann lehnte sie sich zurück und brach in schallendes Gelächter aus. Sie und Willie hatten damals das seltene Vorrecht genossen, den Harem besuchen zu dürfen. Sie erinnerte sich noch, wie sie mit dem alten Abu Tahir Arm in Arm durch die pompösen Hallen geschritten war.
«Zweiundsechzig Stück, Modesty. Aiii! Wenn ich es nur so gehabt hätte, als ich noch jung war. Aber jetzt bin ich alt und schlafe lieber allein. Alle Frauen langweilen mich, außer dir. Der Harem dient nur dem Stolz meines Volkes, zu sonst nichts. Schau sie dir nur an. Sie sind wie heiße Kamelstuten. Schau nur, wie sie Willie anstarren.» Er kicherte obszön. «Wenn wir ihn hier eine Woche lang einsperren, ist er nur noch eine leere Hülse, sobald sie mit ihm fertig sind. Huh, Willie, möchtest du es versuchen?»
Sie erinnerte sich an Willies wirklich beunruhigten Blick, an die fast greifbare Atmosphäre raubtierhafter Gier, als er antwortete: «Nein, danke, Hoheit. Ich habe noch ein paar Jahre, und die möchte ich lieber nach meinem eigenen Geschmack leben.» Abu Tahir hatte gegrinst hinter seinem Bart. «Ich habe eine Strafe für jeden Mann aus meinem Volk, der die Gesetze übertritt, die Allah für Mann und Frau gemacht hat.
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