Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
irgendwie grotesk, mit hinzugefügten, fehlenden oder abgeschnittenen Teilen. Auf eine obszöne Art grotesk. Auch Kopfbedeckungen und Hüte waren vorhanden, bizarre Masken mit langen Federn, ein rosafarbener Zylinder, ein kleines Schaukelpferd, ein Reifrockrahmen, ein orange-schwarz gestreifter Schaukelstuhl mit einem großen Loch in der Sitzfläche, ein Gewirr von Lederriemen, das wie Zaumzeug aussah. Das war also die Requisitenkammer. Arme Maude!
Willie schaltete die Taschenlampe aus und drückte die Tür vorsichtig auf. Immer noch keine Glocken, was fast sicher bedeutete, daß es im oberen Stockwerk keine Alarmanlage gab. Er beabsichtigte, jeden Winkel in diesem Haus zu erforschen, und methodisch ging er an diese Aufgabe. Innerhalb einer halben Stunde hätte er einen maßstabgetreuen Grundriß des oberen Stockwerks mit dem Standort der Möbel zeichnen können.
Die meiste Zeit hatte er in den Schlafzimmern der beiden Männer verbracht und in den angrenzenden Ankleidezimmern. Die Taschenlampe hatte er nicht wieder verwendet, damit seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt blieben.
Ganz vorsichtig stieg er nun die Stufen hinab. Wenn alle Türen unten geschlossen waren, hieß das, daß das Erdgeschoß mit Alarmanlagen bestückt war. Das Öffnen einer Tür oder das Betreten eines Kontaktkissens unter einem Teppich konnte dann den Alarm auslösen.
Vielleicht waren die Schutzvorrichtungen auch viel ausgeklügelter als diejenigen eines einfachen Kontaktunterbrechungssystems. Es konnten Bewegungsdetektoren vorhanden sein, Infrarotstrahlen, ein Mikrowellen-Doppler-Gerät. Er hoffte es nicht, hielt es für unwahrscheinlich, weil es nur eine gemietete Villa war, in der Paxero sicherlich keine wertvollen Schätze aufbewahrte.
Zwei der Türen, die auf die Diele hinausführten, standen offen. Ein gutes Zeichen. Willie schob sich durch eine der Türen in das große Wohnzimmer, und noch immer ertönte keine Klingel. Hier unten konnte er ohne Gefahr die Taschenlampe benutzen und sich schneller fortbewegen. Vor allem wollte er wissen, ob es eine innere Verbindung zwischen der Villa und dem Bootsschuppen gab. Er fand die Küche. Von dort aus führte eine halbverglaste Tür hinaus auf einen Seitengang, der mit dem vorderen Zufahrtsweg verbunden war. Die Tür war verriegelt, und er öffnete sie nicht.
Auf leisen Sohlen schlich er den Gang zurück. Er hatte das große Wohnzimmer zur Hälfte durchquert, sein Lämpchen warf einen ovalen Lichtfleck auf den Fußboden vor ihm, da gingen plötzlich die Lampen an.
Willie erstarrte. In der Tür, unmittelbar vor ihm, stand Paxero mit nacktem Oberkörper. Er trug eine lange Hose und dicksohlige Sandalen und hatte eine automatische Pistole in der Hand, die auf Willies Bauch gerichtet war. Von hinten sagte eine Stimme auf französisch: «Hände hoch!» Willie gehorchte. Also hatte er sich geirrt. Die Alarmanlage war doch eingeschaltet gewesen, und irgendwann hatte er ein unhörbares Signal in einem der Schlafzimmer ausgelöst. Langsam drehte er sich um. In roten Shorts, T-Shirt und Tennisschuhen stand Damion in der Tür, ebenfalls mit einer Automatic in der Hand. Willie spreizte die Finger, die kleine Taschenlampe zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt, um zu zeigen, daß er unbewaffnet war, und sagte auf französisch: «Bitte nicht schießen, Monsieur.» Er sprach es fließend, mit einem Marseiller Akzent. Paxero winkte mit der Pistole und forderte in auf, wieder in Französisch: «Los, rüber an die Wand. Das Gesicht zur Wand. Lehn dich daran, Hände flach an die Wand.» Willie gehorchte wieder. Damion trat von der Seite an ihn heran, die Pistole weit genug weghaltend, und tastete seinen Körper und seine Beine ab. Er nahm die Taschenlampe, warf sie zur Seite, trat zurück und erklärte: «Er hat nichts bei sich, Pax.»
Paxero, ein paar Schritte hinter ihm, befahl: «Gut, nun dreh dich um, Schwein, und halte die Hände hoch.» Willie tat wie geheißen. Beide Waffen waren sehr genau von vorn und von der Seite auf ihn gerichtet. Ganz kurz dachte er daran, wie richtig es von Maude Tiller gewesen war, daß sie während ihren Trainingsstunden nie gefragt hatte, wie man mit einer solchen Situation fertig werden sollte. Denn hierauf gab es keine Antwort, jedenfalls noch nicht jetzt.
Paxero fragte Damion: «Kennst du ihn?»
«Nein, ich nehme an, es ist ein Berufsdieb.»
Willie sagte niedergeschlagen: «Kein Professioneller, Monsieur. Ich hatte die Absicht zu stehlen, das gebe ich zu. Aber sogar
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