Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
beschaffen, an die man anders nicht herankam.»
«Das hat mir García gesagt. Was sich keiner vorstellen konnte, war, wie es Danny fertigbrachte, eine Affäre ohne böse Szenen zu beenden. Ich meine, es ist nicht leicht, sie erst zu nehmen und dann wegzuschmeißen. Einfach so.»
Er hörte Modesty in der Dunkelheit lachen. «Er war ein Genie, glaube ich.»
«Das sah man ihm aber nicht an. Schließlich gab es eine Menge Mädchen in der Organisation, aber keine war verrückt nach ihm.»
«Er konnte das Ding gleichsam einschalten, Willie.
Wenn er es einschaltete, war es echt.» Eine Zeitlang gingen sie schweigend nebeneinander her, und als Modesty sprach, klang ihre Stimme verändert, ein wenig zögernd. «Warst du sehr überrascht über die Inschrift in der Uhr?»
«Ein wenig schon.»
Es gab kaum etwas in Modestys Leben, was Willie nicht bekannt war, ebenso, wie sie von ihm alles wußte. Sie hatten einander von ihrer Vergangenheit nichts erzählt, aber im Laufe der Jahre waren viele Bruchstücke aufgetaucht, und zu dem ganzen Puzzlespiel fehlten nur noch wenige Steinchen. Willie spürte, daß nun eines dieser fehlenden Teilchen zutage gefördert werden würde.
Sie sagte: «Wenn er lebt, muß ich ihn finden, Willie. Ohne Danny Chavasse wäre ich heute ein Krüppel.»
«Ein Krüppel?»
Sie hakte sich bei ihm unter, während sie den Grashang hinabstiegen. «Ich meine nicht, daß ich einen Klumpfuß hätte … aber … nun ja, du weißt, daß ich in meiner Jugend ein oder zwei sehr böse Erlebnisse hatte.»
Nun war aber ihr ganzes früheres Leben in fast jeder Hinsicht ein einziges böses Erlebnis gewesen. Doch Willie wußte, was sie meinte, wußte, daß sie mit zwölf Jahren zum erstenmal vergewaltigt worden war. Der Mann war ein geächteter Beduine gewesen ein umherziehender Trödler, und sechs Tage lang war sie mit ihm gewandert, angekettet wie ein Lastesel, einen Strick um den Hals, den Sack voller Gerümpel schleppend, den er auf den Dorfmarktplätzen zum Tauschhandel und Verkauf auslegte. In der sechsten Nacht hatte sie ihn umgebracht, mit einem langen Nagel, den sie mit Draht an einem Stück Holz befestigt hatte. Drei Jahre später fiel sie in die Hände von Mädchenhändlern und sollte in Port Said für ein Bordell abgerichtet werden. Aber schon nach zwei Tagen war sie entkommen.
Willie sprach in die Dunkelheit hinein. «Ich wußte nicht, wie schwer es dich getroffen hatte, Prinzessin. Ich meine, seit wir zusammen sind, ist es dir auch ein-oder zweimal ziemlich schlimm ergangen. Aber du hast dich nie unterkriegen lassen.»
«Ich kann es jetzt verkraften, Willie. Ich schiebe es einfach weg von mir und warte, bis es vergeht. Wir haben beide im Laufe der Jahre ein paar nützliche Tricks gelernt, aber damals, als ich dich ins ‹
Netz
› holte, war ich ein Gefühlskrüppel. Nur noch eine halbe Frau.
Ich haßte Männer nicht, aber bei dem Gedanken an einen Kontakt war ich vor Angst fast wie von Sinnen. Ein Blick, und alles in mir gefror.»
Er starrte in die Dunkelheit, war erstaunt. «Du konntest es sehr gut verbergen. Die Kerle damals hatten nicht die geringste Ahnung davon.»
«Das überrascht mich nicht. Ich war Bandenchef, und sie hatten ohnehin ihren Abstand zu wahren.
Wenn ich so die kalte, überlegene Teufelin spielte, paßte das genau in mein Konzept. Aber ich fühlte mich verkrüppelt, Willie. Und ich wünschte mir verzweifelt, wieder gesund zu sein. So nahm ich die einzige Chance wahr, die ich sah, und wies Danny Chavasse in seine letzte Aufgabe ein.»
«Du? Als du in jenem ersten Sommer ein paar Wochen fort warst?»
«Ja.»
Er schaute verwundert auf das blasse Gesicht, das er nur undeutlich wahrnahm. «Gut. Ich freue mich, daß es geklappt hat, Prinzessin. Gibt’s keine Möglichkeit, mir Danny Chavasses Geheimtrick zu verraten?»
Sie lachte wieder. «Es schien überhaupt kein besonderer Trick zu sein. Alles, was ich weiß, ist: Wenn Danny es einschaltete, war es total. Ich glaube, es spielte auch keine Rolle, ob die Frau hübsch war oder nicht, älter oder jünger. Es gab für ihn dann nichts anderes als nur sie. Und irgendwie verstand er es stets, genau im richtigen Augenblick das Richtige zu tun. Er hatte keine Eile. Wir gingen in den ersten acht Tagen überhaupt nicht zusammen ins Bett … Und dann löschte er irgendwie all die schlimmen Zeiten von früher aus.»
«Es machte dir nichts aus, als Schluß war?»
«Nein. Aber verlang nicht von mir, dir auch das zu erklären. Vielleicht
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