Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
Massakers, als sie sich das Kreuz vom Hals gerissen und in den Boden gestampft hatte.
Von diesem Tag an hatte sie dem Jungen beigebracht, nur an sich selbst zu glauben. Jetzt war eine Änderung eingetreten.
«Wir sind Mayas, du und ich, Ramón, Liebling», erklärte sie. «Jahrhundertelang sind wir von Eindringlingen niedergetrampelt worden und haben deshalb unser Erbe vergessen. Aber die alten Götter sind nicht gestorben. Sie schlafen vielleicht nur. Aber wenn wir uns ihnen wieder zuwenden, werden sie uns neue Kraft geben.»
Damion bemerkte einen Anflug von Beunruhigung in Paxeros Stimme, als er seiner Tante entgegenhielt:
«Sie waren grausam, diese Götter, Tante Benita. Es könnte unklug sein, sie aufzuwecken.»
«Natürlich waren sie grausam, du dummer Junge.»
Tante Benita lächelte und entblößte ihre kleinen weißen Zähne. «Sie sind Naturgötter, und die Natur ist grausam. Unsere alten Priester wußten das, denn es ist eine der großen Wahrheiten, die wir alle einstmals kannten, die wir aber heute fast alle vergessen haben.
Schuld daran sind diese christlichen Priester. Sie predigen ihre Milch- und Honig-Lehre von der Liebe, aber ihre Anhänger würden um schnöden Gewinns willen einem jungen Mädchen das Herz aus dem Leibe reißen, ebenso selbstverständlich, wie es damals unsere eigenen Weisen im Tempel zur Verehrung der Götter taten.»
Damion dachte: ‹Wovon, zum Teufel, redet sie jetzt?›
Die alte Frau grübelte vor sich hin, die Augen in die Ferne gerichtet. Schließlich fuhr sie fort: «Das war der gute Weg der Wahrheit. Sollen sich die Sklaven doch an ihre Jesus-Märchen klammern, diese armen Narren.
Die Götter sind wie Tiger, nicht wie Schafe. Gib ihnen Blut, und sie geben dir gute Ernten. Biete ihnen Opfer, und sie werden deine Gebete erhören.» Munter antwortete Paxero: «Der Engländer ist jetzt beim Tempel von Tenazabal, Tante Benita. Ich hoffe, er kann die Maya-Götter den verschiedenen Planeten und dem alten Kalender zuordnen, damit du weißt, welcher Gott in welchem Monat den beherrschenden Einfluß ausübt.»
Damion war sich klar darüber, daß Paxero kaum eine Ahnung hatte, wo von er redete, und Tante Benita eigentlich auch nicht. Sie verfügte über ein chaotisches, bruchstückhaftes Wissen, das sie sich aus Büchern zusammengelesen und in ihrem kranken Gehirn zu einem abstrusen Mosaik zusammengesetzt hatte.
Tante Benitas wohlklingende Stimme wirkte verträumt, als sie fortfuhr: «Ich möchte, daß du in dem Tempel ein Opfer arrangierst, Ramón, Liebling. Das wird helfen. Die Götter schenken denen Gesundheit und Stärke, die den Blutpreis zahlen.»
Paxero antwortete eilfertig: «Sehr gut, Tante Benita. Ich werde mir eine Ziege besorgen und mich selbst darum kümmern.»
Sie beugte sich nach vorn und streichelte sein Knie, zärtlich lächelnd. «Das wird sie gar nicht erfreuen, du dummer Junge. Es muß ein Mädchen sein, keine von uns, natürlich. Ein Gringomädchen.»
Damion verschlug es den Atem. Mein Gott, wie würde Paxero sie beide hier heraushalten? Einfach draufloszutöten machte Damion nichts aus. Er war an der Spitze der Spezialen gestanden, als sie damals bei der großen Entführung die Besatzung der Yacht zusammengeschossen hatten, und es hatte ihm fast Spaß gemacht. Er hatte sich geradezu daran berauscht. Aber ein junges Mädchen in irgendeinem alten MayaTempel opfern? Darauf war er nicht sehr scharf. Es war irgendwie verrückt, aber anders als die recht unterhaltsame Marotte der alten Frau, Spielzeugsklaven für ihre Spielzeugplantage zu beschaffen.
Paxero hatte sich abgewandt, um aus dem Fenster zu schauen. Sein Gesicht schien völlig ausdruckslos, aber Damion sah auf seiner Stirn Schweiß glänzen. Paxero schluckte, dann begann er langsam: «Das dürfte sehr schwierig sein, Tante Benita.»
«Schwierig? Mit Schwierigkeiten müssen wir im Leben doch immer rechnen, Ramón. Denk einmal daran, wie viele Schwierigkeiten ich überwinden mußte.»
«Natürlich, Tante Benita. Ich meinte, es könnte die Götter mehr beleidigen als erfreuen. Wir haben jetzt keine richtigen Priester, um ein Opfer darzubringen. Es wäre Gotteslästerung, wenn es jemand vollzieht, der nicht in die Geheimnisse der heiligen Handlung eingeweiht ist.»
Beharrlich erwiderte sie: «Die Opferhandlung als solche macht jeden zu einem Eingeweihten, Ramón.
Die Götter werden zufrieden sein. Es ist zu lange her, seit sie Blut bekamen.»
«Nun ja … Mag sein. Aber ich glaube, wir sollten
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