Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
Leben ist, wenn Sie und Willie dort eintreffen, falls Sie und Willie dort eintreffen.»
«Hat er nach mir verlangt?»
«Ausdrücklich. Und in Übereinstimmung mit Modesty. Ich bin dessen ganz sicher.»
«Das ist ein ziemliches Kompliment.»
«Die beiden haben bestimmt nicht die Absicht, Komplimente zu verteilen, Maude. Sie begeben sich jetzt besser zur ärztlichen Untersuchung, und dann ab nach Belize. Viel Glück!»
Sie zögerte. «Erteilen Sie mir keine Anweisungen, Mr. Fraser?»
«Das habe ich schon. Willie Garvin erwartet Sie in Belize. Von da an befolgen Sie seine Anweisungen.»
Nachdem sie gegangen war, blieb Fraser noch sitzen und putzte seine Brille. Er fragte sich im stillen, ob Maude wohl wiederkommen würde. Er hoffte es, aber manchmal kam alles anders. Er war selbst einer von denen, die Glück gehabt hatten, und noch nach vielen Jahren Schreibtischtätigkeit kam es ihm merkwürdig vor, daß er nur derjenige war, der Glück wünschte und nicht derjenige, der es gewünscht bekam.
Nettes Mädchen, diese Maude. Er hoffte, sie würde nicht zu lange dabeibleiben, falls sie es nicht ohnehin schon zu lange war. Er setzte die Brille auf, rückte sie zurecht, griff nach seinem Füller und vergaß sie.
11
Modesty Blaise saß zusammengesunken in ihrem Sitz und beobachtete durch halbgeschlossene Lider den unerforschten Urwald dort unten. Ihr Kopf schmerzte dumpf – teils war das die Nachwirkung der Betäubungsmittel und teils das Ergebnis des Faustschlags, der ihr eine geschwollene Backe eingetragen hatte.
Um jeden Verdacht zu vermeiden, hatte sie bei der ersten sich bietenden Gelegenheit einen überzeugenden Versuch des Widerstands unternehmen müssen, und das war geschehen, als sie vor zwei Stunden draußen auf See vor Playa Grande vom Boot in den Hubschrauber umgeladen worden war. Die Folge war, daß ein Besatzungsmitglied nun ein gebrochenes Handgelenk hatte.
Dann war Modesty von Damions Schlag getroffen worden, und sie wußte jetzt, daß er sehr schnell und sehr kräftig war. Sie vermutete, daß man dasselbe von Paxero sagen konnte.
Die beiden saßen, den Rücken zur Fahrtrichtung, ihr gegenüber in der Bell-Longe-Ranger. Der Pilot hieß Jason; einen Kopiloten hatten sie nicht. Um Modestys Hals war das eine Ende einer dünnen Nylonschnur geschlungen, das andere war irgendwo hinter dem Sitz befestigt. Ihre Hände waren mit Handschellen gefesselt. Sie trug leichte Sandalen, einen zu engen dünnen Sweater und einen zu weiten grauen Rock, alles von Damion besorgt. Darunter hatte sie noch ihren Badeanzug an – seit dreißig Stunden, als sie auf offener See bei Acapulco unter Wasser mit einem Netz gefangen worden war.
Sie vermutete, daß das allgemeine Schweigen zu einem Gesamtkonzept gehörte, um ihr durch Ungewißheit Furcht einzuflößen und sie damit zu zermürben.
Eine Zeitlang hatte sie überlegt, ob es besser wäre, sich hysterisch zu geben, Fragen zu stellen, ihre Stimme abwechselnd schrill, empört und flehend klingen zu lassen. Aber Zurückhaltung schien ihr jetzt weit günstiger, und vielleicht auch plausibler bei einer Frau, die sie im Verdacht hatten, in den letzten Wochen vier ihrer Handlanger ausgeschaltet zu haben.
Nun, da sie sich auf ihre Aufgabe gestürzt hatte, war sie auch in eine geistige Haltung geschlüpft, die nahe ans Mystische grenzte. Gewisse Zonen ihrer Gefühle waren gewissermaßen abgeschaltet, und obwohl sie sich der Ängste, Befürchtungen, Besorgnisse und Beklemmungen und all der anderen emotionalen Bremsen voll bewußt war, würden sie sehr stark gedämpft auftreten.
Andere Zonen ihres Wesens dagegen waren hellwach und schärften Wahrnehmungsvermögen, Gefühl und Urteilskraft. Modesty bemühte sich nicht bewußt um diesen Zustand. Er stellte sich von selbst ein, und diese Fähigkeit hatte sich bei ihr in den besonders aufnahmefähigen Kindheitsjahren entwickelt und war nun ein Teil ihres Ichs geworden.
Sie sah das silberne Band eines Flusses, der sich durch den dichten grünen Urwald wand, und einen kleinen Augenblick lang dachte sie unwillkürlich an Willie und Maude. Sie würden jetzt auch unterwegs sein, ein schwieriger, harter Weg herüber von der weit entfernten Grenze von Britisch-Honduras. Der Dschungel konnte auf die verschiedensten Arten und sehr wirkungsvoll töten. Aber das war Willies und Maudes Problem, und keine Anstrengung ihrerseits konnte ihnen helfen. Im Augenblick, in der unmittelbaren Gegenwart, hatte sie keine Probleme. Die würden wohl bald
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