Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
bedrückt auf das Wasser hinaus. «Wenn wir recht haben, wirst du in allernächster Zeit verschwinden und für ertrunken gehalten werden. Und Paxero wird hierherkommen – bevor es passiert. Vielleicht auch danach. Meinst du, daß Steve und Dinah sich ihm gegenüber richtig verhalten werden?»
«Steve wird großartig sein, aber halte Dinah von ihm fern.»
«In Ordnung.»
«Glaubst du, den Marsch in drei Wochen bewältigen zu können, Willie?»
«Verlaß dich darauf.»
«Bis dahin werde ich Zeit haben herauszufinden, was vor sich geht. Ich warte, bis du Verbindung aufnimmst.» Sie legte ihm eine Hand auf die Wange.
«Und fange nur nicht an, besorgt auszusehen.»
Er lachte gezwungen. «Tut mir leid. Ich bin schon in Ordnung, wenn es erst einmal losgeht.» Aber Willie Garvin wußte, daß es nicht so sein würde. Es war unmöglich, nicht darüber zu grübeln, was sich dort draußen im Urwald abspielte. Am schlimmsten war seine Vorstellung von einer verrückten alten Frau, die sich für die Reinkarnation einer Maya-Priesterin hielt, der Paxero einen Tempel im Dschungel errichtet hatte und Menschen als Opfergaben herbeischaffte. Es war wildeste Phantasie, das wußte er, aber würde die Wahrheit weniger absurd sein? Drei Dinge aber gab es, die ihn etwas beruhigten. Erstens glaubte er, daß Danny Chavasse noch lebte, drei Jahre nach seinem Verschwinden; zweitens hatte er von Collier erfahren, daß die Mayas keine Priesterinnen zuließen, und drittens besaß das Mädchen, das jetzt ruhig und gelassen neben ihm stand, zart duftend, überwältigend fraulich, einen einzigartigen Willen zum Überleben und die Fähigkeit dazu.
Dinah saß am Frisiertisch, in einem leichten weißen Nachthemd, die Hände im Schoß. Sie hatte eben das Gesicht gereinigt und das Haar gebürstet. Steve Collier lag auf dem Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er hatte seine schlimme Phase überwunden und war fast wieder er selbst, mehr resignierend als verärgert, mehr hoffend als fürchtend.
Mit leiser Stimme sagte er: «He, Lady, ich liebe dich nicht nur halb. Komm her und kuschle mit mir.»
«Gleich, Liebling. Zuerst möchte ich noch einmal mit Willie sprechen.»
«Sie sind schlafen gegangen.»
«Nein. Ich habe sie noch nicht gehört. Sie sind noch auf der Terrasse.» Sie neigte horchend den Kopf. «Jetzt schieben sie das Fenster zu. Ich denke, sie sind in einer Minute oben.»
Collier seufzte. «Es wird nicht viel nützen, Schätzchen. Wir müssen uns einfach hinsetzen und das Beste hoffen.»
«Ich möchte ihm noch etwas sagen.»
«Dann entschuldige dich bitte auch für mich, wenn du schon einmal bei ihm bist.»
«Das wirst du schön selbst besorgen, du Krakeeler. Du warst heute abend richtig gemein. Jedesmal, wenn du den Mund aufgemacht hast, kam Gift daraus hervor.»
«Es war ein Abführmittel, meine Süße. Rizinusöl für die Eingeweide der Seele. Außerdem würden sie wohl kaum von mir wollen, daß ich um sie jammere.»
«Aber du mußtest nicht unbedingt Willie fragen, ob er nicht seinen schönen Smoking für dich umändern lassen könnte, da er ihn aller Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht mehr brauchen würde.»
«Schätzchen, sie erwarten solche Sachen von mir. Das ist meine Narrenfreiheit.»
Sie nickte, ein wenig müde. «Tut mir leid, ich wollte nicht weiter auf dir herumhacken.» Sie erhob sich und bückte sich nach ihrem Umhang. «Sehe ich gut aus?»
Das war eine automatische Frage, die sie mindestens ein halbes dutzendmal am Tage stellte. Collier grinste und erwiderte: «Wenn sich Willie beklagt, verweise ihn an mich.» Sie lächelte kurz, zog ihren Umhang über und bewegte sich ohne Hast zur Tür, den Sessel geschickt umgehend. Zehn Sekunden später klopfte sie an Willies Tür. Als sie auf sein Herein eintrat, roch sie Zahnpasta und hörte Wasser plätschern; Willie spülte gerade den Mund aus.
«Hallo, Dinah. Ich dachte, es sei Steve.»
«Kann ich dich eine Minute sprechen?»
«Sicher … Komm her und setz dich.» Er faßte sie am Arm. «Hier entlang.»
Sie fühlte am Nachgeben des Bettes, daß er sich neben sie gesetzt hatte und wandte ihm den Kopf zu.
«Willie, tu mir bitte einen Gefallen.»
«Wenn ich kann, Liebes.» In seiner Stimme lag eine Andeutung von Resignation.
«Überrede Modesty, es sein zu lassen. Sie wird auf dich hören.»
Sie fühlte, wie er ihre Hand ergriff. «Dinah, du weißt, daß ich das nicht kann.»
«Bitte, Willie. Schau, was in Tenazabal geschehen ist, das ist mir geschehen.
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