Modesty Blaise 08: Heiße Nächte für die Lady
plötzlich schien in ihren Augen ein Feuer aufzuglühen. Ihre Züge veränderten sich nicht, aber es war, als hätte irgendeine innere Macht von ihr Besitz ergriffen, eine Ausstrahlung von Kraft, die sich fast greifbar im Raum verbreitete und ihm den Atem raubte. Die nachtblauen Augen konzentrierten sich auf ihn, und ihr Blick bewirkte, daß er Erregung und kalte Schauer verspürte. Einen Augenblick war ihm, als hörte er Trommelwirbel, und er fühlte sich seltsam heiter und sorglos.
Leise stieß sie hervor: «Mein Gott, was bin ich langsam. Wenn die alte Frau stirbt, wirst du entweder bei ihr sein oder man wird sofort nach dir schicken, damit du es bestätigst. Was geschieht dann mit dir, Kim?»
Er blickte auf sie hinunter, das schwarze Gesicht unbeweglich, und stellte sich den Augenblick vor.
Schließlich antwortete er mit berufsmäßiger Sachlichkeit: «Ich habe bis jetzt noch nie darüber nachgedacht. Aber ich vermute, das Massaker beginnt dann mit mir.»
«Du sagtest, sie könnte jederzeit sterben, und das ist der Augenblick der Krise. Ich hoffe zu Gott, daß sie wenigstens so lange lebt, bis Willie Garvin hier ist, damit wir so etwas wie einen Präventivschlag vorbereiten können. Aber wenn nicht, müssen wir einfach das tun, was möglich ist, und um bei dir anzufangen: Du brauchst einen Stopper, Kim.»
«Einen Stopper?»
«Eine Schutzmaßnahme, irgendetwas, das die da drüben davon abhält, dir einfach eine Kugel durch den Kopf zu jagen.» Der Augenblick ihrer ungewöhnlichen Ausstrahlung schien vorüber, aber er spürte noch immer die Wirkung. Mit der Andeutung eines Lächelns erwiderte er: «Dafür wäre ich auch, das zu verhindern. Aber wie?»
Mit verschränkten Armen, die Hände an den Ellbogen, begann sie auf und ab zu schreiten. Wieder schaute er auf die Uhr. Man würde Modesty bald holen kommen. Sie schien laut zu überlegen: «Wenn ich zu dieser Zeit bei dir sein könnte …» Sie sah ihn an. «Ich bin eine gute Krankenschwester, mit Erfahrung. Ich habe einmal sogar unter Aufsicht einen Blinddarm operiert. Ginge es irgendwie, daß du mich mitnimmst?»
Er schüttelte den Kopf. «Nein. In einem Notfall, wenn ich Hilfe brauche, kann ich um Erlaubnis bitten, mir von Mrs. Schultz helfen zu lassen. Aber das ist alles.»
«Schade.» Sie spielte nachdenklich mit einem ihrer Zöpfe. «Du hast mir von den allgemeinen Sexgewohnheiten hier berichtet. Aber wie steht es mit dir? Könntest du mich als deine Frau zu dir nehmen?»
Er hob bekümmert die Hand. «Ich wünschte, ich könnte. Aber wiederum nein. Es war mein eigener Entschluß, um das gleich klarzustellen. Ich war der Ansicht, es würde immer zu Schwierigkeiten führen, ganz gleich, ob der Arzt eine feste Frau hätte oder nur dem Schlafturnus folgt. Deshalb lasse ich ab und zu eine der Mestizinnen kommen und verbringe mit ihr die Nacht. Miss Benita würde mir jetzt nicht gestatten, das zu ändern.»
«Wie oft siehst du sie?»
«Miss Benita? Jetzt jeden Tag. Und ein Bericht über ihren Zustand geht sofort über den Geheimfunk an Paxero.»
Einen Augenblick stand sie reglos, nachdenklich an der Unterlippe kauend, dann nickte sie kurz. «In Ordnung. Du mußt allein damit fertig werden, wenn es soweit ist. Aber so wirst du anfangen, den Stopper vorzubereiten, Kim.»
Die alten braunen Fotos, die auf die Leinwand geworfen wurden, waren unscharf, die alten Filmausschnitte verregnet, aber sie machten einen grausigen Eindruck.
Stumpfsinnige indianische Bauern mit mageren Kindern, die tatenlos zusehen, wie ihre Hütten niedergebrannt werden. Berittene Soldaten, die ihre stampfenden Pferde über ein Stück Acker treiben, in de in lebende Männer bis zu den Köpfen eingegraben sind; ein Mann in kostbarem Spitzenhemd, der ein Gewehr an den Kopf eines Indios mit gefesselten Händen hält. Ein weiteres Bild derselben Szene, nachdem das Gewehr abgefeuert ist; eine Baumwollpflanzung, ein Film von verhungernden Säuglingen, Elend, Trostlosigkeit, und im Gegensatz dazu die großartigen Herrenhäuser und weiten Ländereien der wohlhabenden Plantagen-und Grundbesitzer.
Der Raum war abgedunkelt. Modesty saß auf einem Holzstuhl und schaute zu. Aus einem Lautsprecher in der Wand erklang ein Kommentar in Englisch. Hinter ihr standen zwei Männer Wache.
«Wenn eine Plantage verkauft wurde, waren die Indios in den Kauf eingeschlossen, sie galten als Handelsware, als bloße Sklaven … Hier ist eine Gemeinschaftsfarm, die von einer Gruppe Indiofamilien aus dem Urwald
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