Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
vorhergehende Stellung zurück. Wieder wurde er in einem großen Bogen hochgerissen und auf den Rücken geschleudert, und wieder und wieder.
Stöhnend und nach Luft ringend, mit dröhnendem Kopf und erfüllt von Todesangst, versank er endlich ins Dunkel, und die Welt verschwand unter tausend winzigen Lichtfunken.
Modesty ließ ihn auf dem Boden liegen und ging ihr Hemd holen. Die Berber lachten, winkten, riefen ihr zu, und von einer Gruppe ertönte lautes Beifallsgeheul.
Sie bedankte sich mit einer Handbewegung und begann ihr Hemd auseinander zu falten.
Auf der anderen Seite der Arena saß Nannie Prendergast mit bleichem Gesicht, die Hände verkrampft im Schoß, und sagte halb betäubt vor Zorn: »Eine Pantomime … es ist nur eine Pantomime! Darüber werde ich mit dir noch zu sprechen haben, Little Krell … du hast sie
betrogen
!«
Der große, kahl geschorene Kopf bewegte sich nicht. Little Krell starrte auf Modesty Blaise hinab, die langsam ihr Hemd anzog. Der Prinz beugte sich vor und legte eine Hand auf Nannies Arm. »Ich glaube, sie sollten El Mico trösten«, sagte er liebenswürdig lächelnd. »Miss Blaise war so rücksichtsvoll, niemanden ernstlich zu verletzen, trotzdem war es kein reines Vergnügen für El Mico …«
Sie schloss die Augen, um ihren Hass nicht sehen zu lassen, und sagte mit zusammengepressten Lippen:
»Gut, Hoheit. Und was geschieht mit …
ihr
?«
»Miss Blaise?« Er lehnte sich zurück, zündete eine Zigarette an und blickte über die Arena. Modesty steckte eben ihr Hemd in die Hose und sprach wieder mit den Berbern, doch diesmal scherzte sie nicht. Er sah, wie sie die Hände ausbreitete, und verstand ein paar Worte: »… habt euren Spaß gehabt heute … wenigstens eine Nacht Schlaf verdient?«
Der Prinz runzelte die Stirn. »Mir scheint, Miss Blaise will die Unterhaltung beenden. Das ist ausgeschlossen, Nannie.«
»Ich will sie tot sehen, Hoheit.« Sie kämpfte um Haltung.
»So wird es geschehen. Aber möchten Sie jetzt nicht gehen? Die beiden Hälften von El Mico werden eben in ihre Suite gebracht. Hassim wird Sie im Cadillac hinfahren. Möchten Sie von Little Krell begleitet weiden?«
»Nein, ich möchte mit Master Jeremy und Master Dominic eine Weile allein sein.«
»Wie Sie wünschen, Nannie. Sagen Sie ihnen, sie sollen sich nicht gekränkt fühlen. Ich kann Ihnen versichern, dass die beiden in niemandes Achtung gesunken sind.«
Diesmal sah er, bevor sie sich abwandte, den glühenden Hass in ihren Augen, und innerlich amüsierte er sich. Rasch ging sie die Treppe von der königlichen Loge hinauf. Der Chauffeur folgte ihr. Little Krell hatte sich nicht gerührt. Er starrte immer noch auf Modesty Blaise. Jetzt stand sie mit dem Rücken an den Pfosten gelehnt, ein Hemdsärmel flatterte dort, wo sie ihn aufgeschlitzt hatte, im Wind. Die Finger in den Hosenbund gesteckt, sah sie nachdenklich auf ihre Füße.
Dominic Silk hatte man bereits weggetragen.
Der Prinz wandte sich an seine Berberfreunde und zog die Brauen hoch. »Dieser Film vor ein, zwei Wochen«, sagte er. »
Quo vadis?
«
Alles schüttelte die Köpfe. Berber interessieren sich nicht für Titel. Geduldig erklärte Prinz Rahim: »Er spielte zur Zeit der Römer. Eine Szene spielte in einer Arena. Man band ein Mädchen an einen Pfahl und ließ einen Stier auf sie los. Ein großer Sklave musste den Stier töten, um sie zu retten. Würde euch das unterhalten?«
Allgemeines Achselzucken. Keine Begeisterung.
Rahim verbarg seine Verachtung. Im Augenblick hatten sie genug Sensationen genossen und empfanden Mitleid mit dem Mädchen. Morgen würden sie vergnügt zusehen, wie sie einen unangenehmen Tod starb.
Endlich sagte einer von ihnen: »Wir haben keinen Stier.«
»Aber einen Panther. Einen hungrigen Panther«, sagte der Prinz. »Wir haben ein Mädchen und einen Mann namens Garvin, der den Sklaven spielen kann.«
Blicke wurden gewechselt. Interesse erwachte. Köpfe nickten.
Der Prinz sah in die Arena hinab. »Das werden wir jetzt spielen«, sagte er.
12
Sieben Minuten waren vergangen. Sie stand mit dem Rücken zum Pfosten, gegenüber dem Eisengitter der Arena. Ihre Arme waren über dem Kopf mit Lederriemen an den Pfosten gebunden. Ebenso waren ihre Fußgelenke unten gefesselt. Die vier Männer, die das durchzuführen hatten, näherten sich ihr mit größtem Unbehagen, aber sie hatte keinen Widerstand geleistet, und ihr einziger Protest war ätzender Spott.
Wenn sie den Kopf nach rechts wandte, konnte sie
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