Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
vertraut, und der erste Schuss ging fehl.
Der zweite Schuss traf, und der Mann ging, sein Bein umklammernd, zu Boden. Rasch drehte sie sich um, um Ringo im Schussfeld zu haben, aber er hatte nicht einmal den Kopf gehoben, und auch die zwei anderen Männer bewegten sich nicht.
Modesty wies auf die beiden Männer und sagte: »Leg einen auf den anderen, schnüre ihre Schenkel zusammen, so fest du kannst, und nimm den Revolver von dem Mann in Grau, Giles.« Sie lief bereits zum Kran. »Wenn du dich bewegst, töte ich dich, das schwöre ich dir«, rief sie Ringo im Vorbeilaufen zu. In der Kanzel konzentrierte sie sich darauf, das Bild von Willie unter Wasser fortzuschieben, und studierte die Hebel. Schwenken … hochziehen … niederlassen. In den Tagen des ›Netzes‹ hatte sie einmal zugesehen, wie Willie einen Kran bediente, und die Hebel hier schienen ähnlich. Da war der Starter. Sie drückte ihn hinunter. Nichts.
Noch zweimal drückte sie auf den Knopf und versuchte die Panik niederzukämpfen. Nichts rührte sich. Tief einatmend presste sie die Hände auf die Augen und versuchte sich das ganze Bild vorzustellen. Willie Garvin war an einen Betonklotz unter Wasser gekettet.
Wenn er seine Lungen voll gepumpt hatte, würde er vielleicht drei Minuten aushalten, bevor er ertrank.
Eineinhalb dieser Minuten waren bereits verstrichen. Er selbst konnte sich nicht helfen, sie konnte ihn nicht hochheben, und der Motor des Krans sprang nicht an.
Bis sie den verwundeten Kranführer zurückgeschleppt und zum Bedienen des Motors gezwungen hatte, würde Willie Garvin längst tot sein.
In der offenen Werkzeugkiste auf dem Boden des Autos hatte sie einen Schraubenschlüssel gesehen. Damit konnte sie tauchen und die Fesseln an seinen Fußgelenken lösen. Aber in dem trüben Wasser immer wieder zu tauchen, dauerte sicher zehn Minuten, wenn nicht länger.
Mit einer Stimme, die rau war vor Erregung, rief Pennyfeather: »Ich hab getan, was du gesagt hast, Modesty! Kannst du dieses verdammte Ding nicht starten?«
7
Sie nahm den Schraubenschlüssel und eine Rolle Isolierband aus der Werkzeugkiste, dann lief sie zu Giles Pennyfeather. Er hatte dem Mann im grauen Anzug seine Automatic abgenommen und hielt sie behutsam in der Hand. Laroques Kopf ruhte jetzt auf der Brust des anderen, und die Schenkel der Männer waren fest zusammengebunden. Ringo lag immer noch im Schlamm, den Kopf ein wenig verdreht, um sie misstrauisch beobachten zu können.
Mit dem Defender feuerte sie knapp an seinem Kopf vorbei und fauchte ihn an: »Auf, Ringo, und zwar rasch, oder du bist erledigt. Hierher. Beweg dich! Leg dich mit dem Gesicht nach unten über die beiden.
Hände auf den Rücken. Ja, so. Giles, bring mir sein Messer.« Sie presste ein Knie auf Ringos Rücken, steckte die Automatic in ihren Gürtel und schlang das Isolierband dreimal um seine gekreuzten Daumen. Er machte nicht einmal einen Versuch, sich zu wehren.
Hundertzehn Sekunden.
Sie stand auf und nahm Giles das Messer ab. Der Revolver war verlässlicher als die Automatic, die er in der Hand hielt, fand sie. Sie postierte Giles ein paar Schritte hinter Ringo. »Steck die Automatic ein, Giles, und halt den Revolver mit beiden Händen. So.« Sie gab ihm die Waffe in die Hand. »Das ist richtig. Den Finger am Abzug, und ziel. Der andere Mann hat eine Kugel im Bein, er wird dir keine Schwierigkeiten machen.« Sie löste eine Länge Isolierband von der Rolle, befestigte ein Ende am Schraubenschlüssel und das andere an ihrem Handgelenk. Das geschlossene Springmesser war jetzt in ihrer Tasche.
Zwei Minuten, plus.
»Giles, mein Lieber, ich muss mich ganz auf dich verlassen. Wenn sich einer von ihnen bewegt, schieß.
Sonst sind wir alle tot.«
Mit fahlem Gesicht und zusammengepressten Lippen nickte er. »Verlass dich auf mich. Sag es diesem Kerl Ringo auf Französisch, damit er es weiß. Und dann hilf Willie, um Himmels willen.« Seine Stimme brach vor Zorn.
Während sie die Schuhe auszog, wiederholte sie die Warnung auf Französisch. Dann: »Sieh dich nicht um, Giles. Lass keinen Blick von ihnen, und mach dir keine Sorgen, wenn ich lang brauche.«
Aus dem Augenwinkel sah er sie zu der Grube laufen und hineinspringen. Er hatte keine Ahnung, wie sie Willie jetzt noch retten wollte. Lang brauchen? Sie durfte nicht lang brauchen. Noch eine Minute, und Willie würde bestimmt ertrinken, wenn er nicht schon ertrunken war. Schweiß bedeckte Pennyfeathers Stirn, und er rief seine Gedanken zur
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