Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
hinunter, und im selben Augenblick schob sich sein Kopf in etwas Dunkles, Glockenförmiges, das sich in zwei kleinere Glocken teilte.
Rasch atmete er ein und keuchte wie ein Hund, während er die Muskeln entspannte, die sich während des wiederholten Atemanhaltens verkrampft hatten. Als die Luft verbraucht war, hob er sie wieder in die Höhe.
Das Wasser schlug über seinem Kopf zusammen. Er wartete auf ihr Zeichen, zog sie hinab, und wieder war sein Kopf von dem seltsam geformten Luftballon umschlossen; es war eine primitive Taucherglocke, die sie aus ihren Jeans gefertigt hatte, indem sie den Reißverschluss schloss und die Hosenbeine am Knie verknüpfte. Während er wieder und wieder Atem holte, entwichen kleine Luftblasen durch den Stoff und den Reißverschluss, aber die umgedrehte Hose enthielt genügend Luft, um ihm zwanzig Sekunden herrlichen Atmens zu erlauben. Sie schlang die Beine um ihn. Er verstand das Zeichen und hob die Arme, um ihr die Hosenglocke abzunehmen. Dann war sie verschwunden.
Wasser tretend sah sie zu, wie Willies Hände mit der zusammengeknüpften Hose auftauchten, herumfuchtelten, um sie mit frischer Luft zu füllen, und sie wieder zu seinem untergetauchten Kopf herabzogen. Sie sah, wie die Hose sich wölbte, und wusste, dass er jetzt selbst für seine Atmung sorgen konnte. Einen Augenblick legte sie sich auf die Wasseroberfläche, atmete ruhig und regelmäßig, dann griff sie nach dem Schraubenschlüssel an ihrem Handgelenk.
Fünf Minuten und ein dreimaliges Tauchen waren nötig, um seinen rechten Fuß von der Fessel zu befreien. Das ganze erste Untertauchen verging damit, den Schlüssel an die sechseckige Schraube anzupassen. Sobald ein Fuß frei war, glitt die Kette zwischen den Fesseln durch den U-Haken im Betonblock und gab der verbleibenden Fessel vierzig Zentimeter mehr Spielraum; das erlaubte Willie, seinen Kopf aus dem Wasser zu strecken. Jetzt, wo der Schraubenschlüssel bereits angepasst war, brauchte sie für die zweite Fessel nicht mehr als drei Minuten. Sie tauchte noch zweimal und hatte sie geöffnet. Modesty kam an die Oberfläche, deutete auf eine Stelle in der Felswand, wo man herausklettern konnte, und schwamm, gefolgt von Willie, zum Grubenrand.
Das Erste, was sie sah, als sie über den Rand spähte, war das unbewegliche Bild von Pennyfeather und den drei Männern. Er stand genau dort, wo sie ihn verlassen hatte, und starrte auf den Revolverlauf in seinen Händen. Sie sah nach links. Dreißig Meter entfernt lag der Mann im blauen Overall immer noch auf dem Boden, hielt sein Bein umklammert und stöhnte.
Atemlos rief sie: »Alles bestens, Giles. Nur noch eine Minute.«
»Fein!«, rief Pennyfeather, ohne den Kopf zu bewegen. Seine Worte waren ein Schrei der Erleichterung.
Dann, als sie sich über den Rand zog, sagte er ernst:
»Wenn du so weit bist, möchte ich mir diesen verwundeten Mann ansehen, Modesty. Hallo, Willie.«
Sie kauerte auf Händen und Knien, den Kopf gesenkt, ermattet und schwach, und hörte Willie krächzen: »Hallo, Giles.« Langsam hockte sie sich auf die Schenkel und schob die nassen Haare von den Augen.
Willie lag mit dem Gesicht nach unten, den Kopf auf ihren Arm gebettet. Die zusammengeknüpfte Hose hatte er mitgenommen. Modesty sah seine zerschundenen Handgelenke und seine blutigen Fußgelenke; und sie wusste, dass jeder seiner Muskeln ihn schmerzte, als käme er von einer Streckfolter.
»Willie?«
Mühsam richtete er sich ein wenig auf, und es gelang ihm ein schwaches Lächeln der Beruhigung. Seine Unterlippe blutete, und plötzlich merkte Modesty, dass ihre eigenen Lippen von der Mund-zu-Mund-Beatmung geschwollen waren. Sie machte eine kleine Handbewegung und sagte: »Es tut mir leid, Willie … jemand hat Martel geschnappt, und …«
»Ich weiß.« Er hustete und wischte den Schlamm von seinem Mund. »Casanova dachte, dass du es warst.
Sofort hatte ich eine Pistole gegen jedes Ohr gepresst und eine unter meiner Nase.«
Er sah an ihr vorbei und dachte an die Szene, wie sie sich in sein Gedächtnis eingeprägt hatte, als man ihn ein letztes Mal untertauchte – kaum mehr als zwei Minuten bevor sie zu ihm in die Dunkelheit hinabkam. Sie war waffenlos gewesen, von Gegnern umringt und von einem Revolver bedroht. Jetzt lagen drei von Casanovas Männern entwaffnet vor ihnen, und Pennyfeather hielt sie in Schach. Hinter dem Kran lag der Führer, offenbar mit einer Schusswunde im Bein, auf der Erde.
Willie wandte langsam den Kopf,
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