Modesty Blaise 12: Die Lady läßt es blitzen
wird plötzlich aus dem Traum, in dem er momentan lebt, erwachen und erkennen, daß er im wirklichen Leben Modesty Blaise getötet hat. Wie seine Reaktion aussehen wird, kann ich nicht voraussagen. Vielleicht bringt er sich selbst um, oder zieht sich in den Wahnsinn zurück oder wird schizophren – aber ich möchte nicht spekulieren, Dr. Pilgrim. Ich will mich nicht festlegen, ich werde ganz einfach die Auswirkung auf Garvin beobachten. Eine wirklich faszinierende Aussicht.«
»Ich freue mich auch schon darauf«, sagte Pilgrim.
»Danke für Ihre interessante Darlegung der – äh – gegenwärtigen Situation, aber nun, so fürchte ich, muß ich zu meinen Hauptverpflichtungen zurückkehren. Mrs. Ram erwartet mich, um mir den neuesten Stand unseres Hallelujah-Szenariums mitzuteilen.« Er verdrehte gedankenverloren die wäßrigen blauen Augen.
»Ich möchte wissen … ohne mir allzuviel zu erwarten, natürlich … ich möchte wissen, ob es für einen
schizophrenen
Mr. Garvin möglich wäre, an den einigermaßen extensiven Liquidierungen mitzuwirken, die bei dieser Gelegenheit erforderlich sein werden?«
Danny Chavasse fragte: »Wie wirst du es anstellen?«
Modesty antwortete nicht gleich. Sie saß auf einem hohen Stuhl an einer der drei Werkbänke in ihrer Werkstatt im Penthouse und war gerade damit beschäftigt, die erste Facette eines Smaragds mit einer Schleifsäge zu bearbeiten. Nach wenigen Augenblicken lehnte sie sich zurück, schaltete die rotierende Phosphorbronzescheibe der Säge aus und untersuchte den Smaragd unter der Lupe.
»Ich werde versuchen, ihm die Informationen abzukaufen«, sagte sie. »Lafarge läßt sich kaufen, also wird er das wahrscheinlich auch verkaufen.«
»Vielleicht weiß er gar nicht viel, Modesty.«
»Er kann die beiden leidenschaftlichen Freunde beschreiben, die den Flug mit Bumsen verbracht haben, und er kann den zweiten Mann beschreiben, der Willie gewesen sein könnte. Er muß auch wissen, wo er seine Cessna gelandet hat. Es ist zumindest ein Anfang, Danny.«
Er wartete, während sie weiter an dem rohen Edelstein arbeitete, und fragte dann unglücklich: »Und wenn er nicht verkauft?«
Sie senkte die Lupe. »Dann wird es schwierig. Wir haben zwar nie mit Foltermethoden gearbeitet, aber wenn ich ihn nicht kaufen oder einschüchtern kann, muß ich ein paar Regeln brechen.«
Roger Lafarge wohnte in einem ziemlich teuren Apartmentblock in Westlondon. In den letzten beiden Tagen hatte sie bei ihren wiederholten Anrufen immer nur ein Tonband gehört. Sie hatte eine Botschaft hinterlassen, in der sie ihn um einen Rückruf bat, und zusätzlich noch durch Weng eine schriftliche Notiz hinbringen lassen. Sie vermutete, daß er gerade einen Auftrag zu erledigen hatte, und konnte nichts anderes tun als warten. Sie brauchte all ihre harterworbenen Fertigkeiten der Selbstbeherrschung und künstlichen Entspannung, um ihr geistiges Gleichgewicht aufrechtzuerhalten und die Angst abzuwehren, die an ihren Nerven zehrte. Während der beiden vergangenen Tage hatte sie viele Stunden mit Jogaübungen verbracht. Danny Chavasse beobachtete sie, während sie den Smaragd prüfte, und bewunderte die ruhige Gelassenheit in ihren Augen. Eine Stunde zuvor hatte sie ein einfaches, aber wohlschmeckendes Abendessen zubereitet. Sie hatten im Wohnzimmer gegessen und dazu eine Flasche Bordeaux getrunken. Die Konversation war ungezwungen und unbeschwert gewesen. Sie hatte nicht von Willie Garvin gesprochen, und er hatte sich danach gerichtet. Sie wirkte ernst und traurig, aber nicht abgespannt.
Dannys eigene Nerven waren durch die langen Qualen als Sklave in Limbo, wo er ständig Prügel oder den Tod fürchten mußte, abgehärtet, aber er zuckte doch ein wenig zusammen, als das Telefon auf der Werkbank, wo sie arbeitete, läutete. Sie hob ruhig ab und sagte: »Modesty Blaise.«
Dann: »Ja. Danke, daß Sie zurückgerufen haben, Mr. Lafarge.« Eine Pause. »Ich würde Sie gerne treffen, weil ich glaube, Sie könnten einige Informationen haben, die mir eine gewisse Summe wert wären. Ich habe Ihren Namen von Dave Goss.« Wieder eine Pause. Sie sah auf die Uhr. »Ja, ich könnte um zehn bei Ihnen sein, oder Sie könnten herkommen, wenn Ihnen das lieber ist.« Sie lauschte. »Bei Ihnen? Sehr gut, Mr. Lafarge, Bis später.«
Sie legte den Hörer auf und drückte auf den Knopf eines Sprechgerätes. »Weng?« Nach einigen Sekunden ertönte Wengs Stimme. »Ja, Miss Blaise?«
»Holen Sie bitte etwas Geld aus dem
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