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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Stimme.
    »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen«, entgegnete ich störrisch.
    »Sind Sie mit einem Aufhebungsvertrag einverstanden?«, fragte der Anwalt. »Oder wollen Sie selbst kündigen?«
    Verdammt, was sollte ich darauf antworten? Ich hatte hier meinen ersten Job, unbefristet, bei dem Unternehmen, in dem es mir während meines Praktikums so gut gefallen hatte und in dem meine große Liebe arbeitete – ich wollte also weder kündigen noch einen Aufhebungsvertrag, daher sagte ich nichts.
    »Für Ihre Reputation ist es besser, wenn Sie selbst kündigen, aber dann bekommen Sie erst mal kein Geld vom Arbeitsamt«, erklärte der Anwalt sachlich.
    »Gibst du jetzt dieser Schlange noch eine private Rechtsberatung?«, zischte der Senior. Himmel, diesen Mann hatte ich bereits als zukünftigen Schwiegervater betrachtet!
    »Dann kündige ich lieber selbst«, erklärte ich.
    Damit war alles gesagt, also drehte ich mich auf dem Absatz um und verließ hoch erhobenen Hauptes den Raum. Die Tränen, die langsam aber stetig zu fließen begannen, wischte ich mit den Resten der Wimperntusche auf dem Klo ab. Dann warf ich mir so lange kaltes Wasser ins Gesicht, bis ich wieder einigermaßen gefasst aussah.
    Ich ging in mein eigenes Büro, tippte meine Kündigung, druckte sie aus, unterschrieb sie, machte eine Kopie und brachte sie in Philips Büro.
    Er hatte bereits ein Schreiben aufgesetzt, das mich mit sofortiger Wirkung von meinen Pflichten entband, und so tauschten wir die Papiere aus, ließen uns jeweils den Empfang quittieren und dann stand ich vor seinem Schreibtisch und wollte gern noch etwas Geistreiches sagen.
    Leider fiel mir nichts ein.
    Philip schaute mich wortlos und mit undurchdringlicher Miene an, als warte er geduldig auf meinen Geistesblitz, aber dann wandte er den Blick ab und studierte die Papiere auf seinem Tisch.
    Ich drehte mich um und ging.

26
    Die Sonne schien, es war ein strahlend schöner Sommertag, aber ich dachte weder ans Eisessen noch ans Schwimmengehen oder sonstige schöne Dinge, die man an solch einem Tag tun könnte. Ich dachte an gar nichts. Ich stand unter Schock.
    Ich stieg in die erstbeste Straßenbahn und fuhr durch die Stadt, ohne etwas wahrzunehmen. Irgendwo stieg ich aus und nahm die nächste Bahn in Gegenrichtung, nahm wieder eine und wieder und kam schließlich wieder in der Innenstadt an. Ich ging an den Rhein, setzte mich auf die Stufen an der Uferpromenade und blickte auf das Wasser, ohne etwas zu sehen. Einige Stunden lang starrte ich blöd vor mich hin, dann stand ich auf und ging zu einem Kiosk. Ich kaufte die Zeitung, in der meine Identität enthüllt worden war und blätterte sie noch vor der Tür des Kiosks durch. Ich fand den Artikel auf Seite sieben. Er machte natürlich mit dem Knaller unserer Verwandtschaft auf und ließ ein paar Zeilen über meine Arbeit bei Siebendt folgen, in denen ich als professionell, kreativ und erfolgreich gelobt wurde. Dann wurden die Aktionen von Hot Spott beschrieben und als ebenso professionell und kreativ beurteilt. Familienähnlichkeit eben. Im Anschluss gab es eine Übersicht überdie interessante Biografie von Daniel Tutz, der vom Finanzguru zum Umweltaktivisten geworden war. Die Informationen über die Aktionen waren alter Wein in neuen Schläuchen und Daniels Biografie konnte man sicher online ganz einfach recherchieren – sofern man Daniels richtigen Namen kannte, den er aber in Verbindung mit Hot Spott nie erwähnt hatte.
    Der Artikel war geschrieben von Bettina Haltermann, der Journalistin, die ich im »eat meat« kennengelernt hatte. Sie kannte mich und sie kannte meinen Vater, aber woher kannte sie Daniels richtigen Namen? Hatte mein Vater ihr die Verbindung erläutert? Ich musste es wissen. Die Frage, wer dieser Frau Daniels richtigen Namen verraten hatte, war für mich plötzlich lebenswichtig geworden. Ich musste meinen Vater fragen.
    Ich schaltete mein Handy, das ich viele Stunden früher nach einem zehnminütigen Dauerklingeln ausgemacht hatte, wieder ein und rief meinen Vater an. Er antwortete nach dem ersten Klingeln.
    »Leo, wie geht es dir? Das ist ja schrecklich, was in der Zeitung steht. Hast du Ärger bekommen deswegen?«
    »Ich bin fristlos entlassen worden, sonst ist alles in Ordnung.«
    Mir ging kurz die Frage durch den Kopf, warum ich tatsächlich nicht fristlos entlassen worden war, aber das hatte sicher mit dem Fehlen von stichhaltigen Beweisen oder einer verpassten Abmahnung oder sonstigen juristischen

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