Möhrchenprinz - Roman
so lässig geklungen, aber immerhin waren auch keine Schimpfworte drin. Bis auf Finanzjongleur – wenn man das als Schimpfwort betrachten wollte. Noch vor wenigen Monaten hätte Daniel diese Bezeichnung als Schmeichelei aufgefasst.
»Leo, ich verspreche es dir. Von mir wird niemand etwas erfahren. Ganz großes Indianerehrenwort.«
Ich zögerte, aber dann sagte ich mit beschwörender Stimme: »Ich verlasse mich darauf.«
Als ob ich eine Wahl gehabt hätte!
Der Flashmob war nicht überragend, aber gut genug. Ungefähr zweitausend Leute standen in einem großen Kreis um ein provisorisches Podest herum, direkt vor dem Rednerpult drängelten sich etwa vierzig Journalisten. Einige klemmten mithilfe von zwei Hot Spott-Groupies Mikrofone an das Pult, andere hielten ihre Notizblöcke parat. Zwei Fernsehkameras waren auch da, um Daniels Auftritt für die Nachwelt festzuhalten.
Und dann kam mein Bruder, von dem niemals jemand – und schon gar nicht mein Boss – erfahren durfte, dass er mein Bruder war. Er trug eine olle Jeans und ein T-Shirt mit dem Aufdruck www.hot-spott.de.
Er wartete in aller Seelenruhe ab, bis der Applaus sich legte und begrüßte die anwesenden Freunde und Förderer und die Journalisten zu dieser kurzfristig einberufenen Erklärung.
»Ich möchte mit der Quintessenz dessen beginnen, was den Erfolg von Hot Spott ausmacht und was der Grund dafür ist, dass Sie jetzt hier stehen und mir zuhören: Sie wissen, dass wir recht haben.«
Es gab eine Sekunde der Überraschung, dann kreischten einige Anhänger vor Begeisterung und die Menge applaudierte frenetisch. Die Journalisten grinsten und schüttelten den Kopf in Fassungslosigkeit über so viel Selbstbewusstsein oder nickten in ehrlicher Zustimmung. Alle kritzelten diesen Satz wörtlich mit oder überprüften ihre Aufzeichnungsgeräte, denn hier stand endlich jemand, der Klartext sprach. Daniel jedenfalls hatte mit diesem einen Satz, den er unbeschwert fröhlich und ohne jeden Anflug von Arroganz rausgehauen hatte, alle Zuhörer in der Tasche.
»Wir sind etwa zehn Leute in der Lenkungsgruppe. Das klingt nicht besonders beeindruckend. Unseren Newsletter haben allerdings schon zwanzigtausend Menschen abonniert und über fünftausend sind bereit, uns bei unseren Aktionen zu unterstützen.«
Mit dem nun folgenden Applaus feierte ein Teil der Meute sich selbst.
»Was macht uns so attraktiv?«, fragte Daniel mit einem spitzbübischen Lächeln und hatte spätestens jetzt das Herz jedes Zuschauers und jeder Zuschauerin gewonnen. Bis auf meins, natürlich, aber das hatte er in Kauf genommen, als er seinen Feldzug gegen mich und meine Arbeit begonnen hatte.
»Wir sprechen das aus, was die meisten Menschen schon lange wissen. Wir sprechen Klartext. Wir eiern nicht herum, versprechen sowohl Wachstum als auch die Rettung der Welt, obwohl jeder denkende Mensch weiß, dass das nicht zusammenpassen kann in einer Welt, die natürlich Grenzen hat. Und wir tun all dies auf unterhaltsame Art und Weise.«Ich hatte Mühe, mich der charismatischen Wirkung meines Bruders zu entziehen, wollte aber nicht länger zusehen, wie er seinen Erfolg feierte, denn für diesen Erfolg hatte er mich geopfert.
Ich riss also meinen Blick von Daniel los und beobachtete stattdessen die Menge, als mein Blick auf zwei Menschen fiel, die etwas abseits standen und in ein intensives Gespräch verwickelt waren.
Der eine war Thomas. Ihn zu sehen, gab mir einen Stich, denn er hatte mit Daniel gemeinsame Sache gemacht, hatte in meinem Büro spioniert, anstatt Daniel von diesem Vernichtungsfeldzug abzuhalten. Trotzdem hatte ich mich gestern an seiner Schulter ausgeheult. Dafür verachtete ich mich. Sich derartig dem Feind an den Hals zu schmeißen war mehr als nur peinlich – dafür musste man schon ganz schön durchgeknallt sein.
Die Person, mit der Thomas die Köpfe zusammensteckte, war Bettina Haltermann, die Journalistin, die mit Papa und Philip und mir an einem Tisch im »eat meat« gesessen hatte. Die beiden waren völlig in ihr Gespräch versunken. Offenbar war das, was Thomas da erzählte, interessant und überraschend, denn die Haltermann schaute ihn erstaunt an, fragte nach und Thomas nickte noch einmal zur Bekräftigung. Dann kam jemand, tippte Thomas auf die Schulter, flüsterte ihm etwas ins Ohr und zog ihn mit sich, sodass er aus meinem Blickfeld verschwand.
Gleichzeitig nahm ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr, etwas, das sich aus meinem Blickfeld entfernte und ein
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