Möhrchenprinz - Roman
Erklärung dafür zurechtgelegt, wie Hot Spott an die Informationen gekommen sein könnte. Denn dass ich den als Fensterputzer verkleideten Feind in meinem Büro allein gelassen hatte, würde ich maximal unter Folter zugeben.
»Wie konntest du mich so anlügen?«, fragte Philip leise.
Damit erwischte er mich auf dem falschen Fuß. Ich schnappte nach Luft. »Wie kommst du denn darauf?«, fragte ich verblüfft. »Ich habe dich nicht angelogen.«
Die Muppets mir gegenüber rührten sich nicht. Ich hätte diese Szene gern ohne die beiden hinter mich gebracht, aber ich war mir sicher, dass es nicht gut angekommen wäre, wenn ich jetzt darum gebeten hätte, sie hinauszuschicken.
Philip stieß ein unwilliges Schnauben aus, drückte sich vom Tisch ab, drehte seinen Computermonitor herum und gab einen Befehl auf seiner Tastatur ein. Auf dem Bildschirm erschien Daniel bei seiner Pressekonferenz.
Ich hatte gestern zwar nicht seinen ganzen Text mitbekommen, aber trotzdem sah und hörte ich jetzt nichtswirklich Neues. Zumindest bis Daniel geendet hatte. Dann schwenkte die Kamera über die Menge und erfasste – mich. Ich spürte, wie ich blass wurde.
»Ich habe mich auf deine Anregung hin bei der Gruppe angemeldet und von ihnen den Aufruf für den Flashmob bekommen«, sagte ich mit äußerster Beherrschung. »Also bin ich hingegangen, um zu sehen, mit wem wir es da zu tun haben.«
Philip verzog das Gesicht zu einer hässlichen Fratze, die zwischen Verachtung und Wut schwankte. »Du weißt doch ganz genau, mit wem wir es hier zu tun haben.«
Damit griff er zu einer Zeitung, die auf seinem Tisch gelegen hatte, und warf sie auf den Konferenztisch. Ein Bild von Daniel während seiner Pressekonferenz war der Eyecatcher. Ein kleines Bild von kaum mehr als Briefmarkengröße war in die Ecke hineinmontiert. Es zeigte mich bei der Pressekonferenz, die ich am Carlsplatz gegeben hatte. Die Überschrift lautete: Es bleibt in der Familie.
Ich griff nach der Zeitung, um den Text zu lesen, aber Philip riss sie an sich. »Für dich kann das doch wohl keine Neuigkeit sein.« Seine Stimme troff vor Sarkasmus. »Dein eigener Bruder, von dem du mir erzählt hast, er sei tot.«
Ich erinnerte mich an die Unterhaltung in Afrika.
»Er war Finanzjongleur, das habe ich bestätigt. Dass er tot ist, hast du vermutet und ich habe das nicht kommentiert.«
»Das kommt doch auf dasselbe hinaus.«
Man muss immer die Wahrheit sagen, aber nicht immer die ganze Wahrheit, hatte mein Vater mir manchmal zugeflüstert, wenn meine Mutter mich mal wieder wegen kleinerer Verfehlungen zur Rede stellte, und daran hatte ich mich gehalten. Die Erwiderung behielt ich aber lieber für mich.
»Und du hast ihm alle Anzeigenplätze auf dem Silbertablett serviert und so getan, als wüsstest du von nichts!«
Das allerdings ging zu weit. Ich spürte, dass ich zitterte, ob vor Überraschung, vor Wut oder vor Selbstmitleid, wusste ich nicht. Nur eins wusste ich: Ich war unschuldig. Trotzdem wurde hier über mich gerichtet, ohne mir die Chance einer Verteidigung zu geben. Und zwar von dem Mann, der mich noch vor zweiundsiebzig Stunden zärtlich in seinen Armen gehalten hatte.
»Ich habe dich nicht angelogen. Ich habe meinem Bruder kein Wort gesagt. Ich habe keinerlei Information aus meinem Büro herausgetragen, weder mündlich noch in Form einer Datei auf dem Laptop oder per Mail oder auf meinem Handy oder sonst irgendwie. Ich verbitte mir diese Anschuldigungen. Und ich verbitte mir den Ton, der hier herrscht.«
Ich stand auf, obwohl ich inzwischen am ganzen Körper schlotterte und nicht sicher war, ob ich mich überhaupt würde aufrecht halten können.
»Ich war und ich bin dem Unternehmen Siebendt gegenüber loyal und zwar jederzeit und ohne Ausnahme.«
Niemand sagte etwas.
Ich fühlte das dringende Bedürfnis, den Raum zu verlassen und mich in eine dunkle Ecke zu verkriechen, in der ich mich ausheulen konnte, bis ich klein und runzelig war wie ein Rosine, aber das wäre ein Eingeständnis meiner Schuld gewesen, deshalb blieb ich hier und blickte die Anwesenden der Reihe nach an.
»Pack deine Sachen und geh«, sagte Philip. Er sah mich dabei nicht an.
»Nein«, sagte ich mit kieksender Stimme. »Ich bin hier beschäftigt und tue meine Arbeit.«
»Sie bekommen Ihre Kündigung per Post«, sagte der Anwalt.
»Dann arbeite ich, bis ich sie habe«, entgegnete ich.
»Ich kann Sie in meinem Unternehmen nicht mehr dulden«, sagte der Senior mit Wut in der
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