Möhrchenprinz - Roman
Feinheiten zu tun und war auch eigentlich nicht weiter interessant.
Papa verlieh seiner Bestürzung Ausdruck, fragte, wie er mir nun helfen könne, bot mir an, sich mit mir zu treffen, und fragte irgendwann, als er keine Antwort bekam, ob ich noch dran sei.
»Hast du dieser Journalistin gesagt, dass Daniel mein Bruder ist?«
Es war einen Moment still in der Leitung. »Natürlich, jetzt weiß ich auch, woher der Name mir bekannt vorkam. Es ist diese Frau aus dem ›eat meat‹, nicht wahr?«
»Genau.«
»Nein. Ich hatte sogar ihren Namen schon wieder vergessen, du weißt ja, dass ich mir Namen nicht merken kann.«
»Danke.« Ich hatte keine Lust auf weitere Konversation und legte einfach auf. Nachdenklich schaute ich mich um. Ich stand auf der Straße, die Zeitung unterm Arm, das Handy in der Hand und düstere Gedanken im Kopf, während um mich herum die Menschen den schönen Sommertag genossen. Ein Mann filmte offenbar seine Familie vor der Altstadtsilhouette, dirigierte sie hierhin und dorthin, Menschen machten Platz, manche amüsiert, andere genervt von dem Stau, der durch die Gruppe entstand.
In meinem Hirn blitzte eine Erinnerung auf.
Kameras, die auf Daniel gerichtet waren, das gesamte Interesse konzentrierte sich auf das, was er sagte – nur einige Meter weiter waren zwei Menschen in ein Gespräch vertieft, zu dem sie die Köpfe zusammensteckten.
Thomas und Bettina Haltermann.
Das war es.
Nicht Daniel hatte unsere Verwandtschaft verraten, er hatte mir sein großes Indianerehrenwort gegeben und das galt auch heute noch. Sein bester Kumpel Thomas, der bei uns am Küchentisch gesessen, mit uns gekocht, gegessen und die kleinen und die größeren Siege gefeiert hatte – der hatte erst die Informationen aus meinem Büro geklaut und Daniel und mich dann noch gemeinsam verraten.
Ich spürte die Tränen kommen. Tränen der Wut und der Enttäuschung über diesen letzten Verrat. Monatelang hatte ich Thomas vertraut. Ich hatte ernsthaft geglaubt, dasser Daniel und mir gegenüber loyal sein könnte. Vielleicht hatte ich ihn sogar gemocht. Aber alles das war völlig egal, denn jetzt kannte ich nur eine Empfindung, und das war echter, tiefer, kalter Hass. Auf meinen Bruder und seinen besten Freund, die beiden Männer, die mein Leben zerstört hatten.
Ich ging nach Hause, packte ein paar Sachen zusammen, rief ein Taxi und ließ mich zum Haus meiner Eltern bringen. Solange mein Vater bei seinem schwulen Geliebten und meine Mutter bei ihrem jugendlichen Lover waren, konnte ich hier wohnen. Zumal ich nicht mehr das Problem hatte, in die Stadt zur Arbeit zu müssen. Ich trank eine ganze Flasche Weißwein, schaute bis tief in die Nacht fern und schlief auf der Couch ein.
Daniel kam mich am dritten Tag meiner selbst gewählten Einsiedelei besuchen, weil er sich Sorgen um mich machte.
»Erst stichst du mir das Messer in den Bauch und dann fällt dir ein, dass ich verbluten könnte? Sehr witzig«, ranzte ich ihn an.
»Ich verstehe ja, dass du mir böse bist, aber Thomas tust du Unrecht.«
»Dann sag mir, wer dir die Informationen für die Kampagne gegeben hat und wer der Journalistin gesteckt hat, dass wir Geschwister sind.«
»Das kann ich nicht«, flüsterte er.
»Dann verpiss dich«, sagte ich kalt. »Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben.«
Daniel schluckte. »Ich hoffe, dass du mir vergeben kannst, Leo, ich werde wiederkommen und dich auf Knien darum bitten, aber im Moment liegt mir Thomas mehr am Herzen als mein eigenes Schicksal. Er versucht seit Tagen, dich zu erreichen und mit dir zu sprechen.«
Ich schüttelte unwillig den Kopf. »Warum sollte er? Um mir zu erklären, warum er mich gleich mehrfach verraten musste?«
Daniel verdrehte die Augen. »Du bist so blind, Leo. Thomas hat dich nicht verraten. Kein einziges Mal. Er hat sich in dich verliebt.«
»Halt die Klappe.«
»Du hattest natürlich nur Augen für diesen Idioten, der dich bei der ersten Gelegenheit fallen lässt. Ich kenne diese Typen, ich war selbst mal so einer. Hättest du mich eingeweiht, hätte ich dir gleich sagen können, dass der Kerl nichts für dich ist.«
»Was glaubst du wohl, weshalb ich dir nichts von ihm erzählt habe«, knurrte ich. »Deine Bevormundung ist doch das ganze Problem. Ständig bildest du dir ein zu wissen, was gut für mich ist und was nicht. Deshalb hast du meinen Job torpediert, nicht wahr? Weil du der Meinung warst, dass er nichts für mich ist.«
Daniel nickte.
»Ich bin erwachsen, Daniel. Geh
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