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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Frage«, wiederholte ich seine Worte von früher.
    Er nickte. »Gut. Statistisch gesehen verbringen Kollegen mehr wache Zeit miteinander als Ehepartner. Ich finde, wir sollten uns wenigstens die Umstände mit der förmlichen Anrede ersparen.«
    Ich verfolgte die Frage, warum er in dieser Situation von Ehepartnern sprach, nicht weiter und nickte still, um nicht zu jauchzen vor Freude.
    »Philip reicht.«
    »Leonie.«
    »Ich weiß.«
    Er reichte mir förmlich die Hand und drückte sie sacht. »Willkommen im Team.«

4
    »Aus welcher Haltung kommen die Tiere für euer Fleisch?«, fragte Daniel, nachdem ich meinen Bericht mit dem Hinweis beendet hatte, dass ich meinen Chef nun duzte. Dass ich ihn außerdem hemmungslos liebte, verschwieg ich sogar meinem Bruder. Meinen Chef wollte ich ganz für mich allein.
    Daniel war abends mit einem »Welt-Care-Paket« bei mir aufgetaucht, wie er es genannt hatte. Nicht mir müsse man helfen, sondern der Welt. Ich hatte die Papiertüte noch nicht ausgepackt, sondern sie nur auf die Anrichte gestellt, wo sie mich nicht beim Nudelessen störte. Daniel hatte auch eine Portion Nudeln genommen, nachdem ich ihm versichert hatte, dass die Sauce ausschließlich aus Tomatenpüree, Sahne und gehackten Chilischoten bestand. Meine Leib- und Magenspeise bei physischen oder psychischen Belastungsstörungen aller Art. Und die Besichtigung im Schlachthof war beides gewesen.
    »Die Schweine kommen von achttausend verschiedenen Mastbetrieben, alle konventionell. Das, wofür ich demnächst zuständig sein werde, ist allerdings kein Schwein sondern Wildfleisch, das kommt aus gar keiner Haltung.«
    Mein Versuch, auch hier das artgerechte Leben in denVordergrund meiner Gedanken zu stellen, misslang. Im Geiste sah ich elegante Antilopen an den Hinterläufen hängend an mir vorbeiziehen, während die Blutsauger ihre Kanülen in den schönen Hals stachen, aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
    »Und das Kobe-Rind?«
    »Das bekommt täglich einen Liter Bier und zwei Stunden Massage, du Hirni«, erwiderte ich. »Dem geht es besser als mir.«
    »Trotzdem wäre es natürlich besser, wenn man nur Fleisch aus kontrolliert ökologischer Aufzucht äße.«
    »Okay, ich sage den afrikanischen Antilopen, dass sie bitte nur Ökosteppengras fressen sollen.«
    Mein Humor verpuffte wirkungslos.
    »Vor allem sollte man viel weniger Fleisch essen. Der Konsum in Deutschland liegt mit sechzig Kilo direktem Verzehr pro Kopf und Jahr viel zu hoch. Du selbst isst kaum Fleisch. Hast du gar kein Problem damit, in einer Großhandlung für tote Tiere zu arbeiten?«
    Seit ich in der Kantine aß, war mein Fleischkonsum gestiegen, aber das musste ich meinem Bruder ja nicht auf die Nase binden. Und die Gewissensbisse wog ich regelmäßig gegen die Zusammenarbeit mit dem Mann meiner Träume ab. Aber auch das ging meinen Bruder nichts an. »Seit wann machst du dir Gedanken um die moralischen Implikationen meiner Arbeitsstelle?«
    »Seit ich versuche, richtig zu leben.«
    »Dann solltest du vermutlich dringend Vegetarier werden«, schlug ich vor.
    Ich war mir sicher, einen guten Witz gemacht zu haben, denn Daniel aß an mindestens sechs Tagen in der Woche außer Haus und zwar meist Steak mit Salat.
    »Ja, das habe ich auch schon überlegt«, sagte er ernst. »Für den Anfang esse ich nur noch Biofleisch.«
    Ich brauchte eine Weile, bis ich diese Information verdaut hatte.
    »Du spinnst«, stellte ich dann freundlich fest. Allzu große Sorgen machte ich mir zu dem Zeitpunkt nicht, denn ich war sicher, dass Daniels Wandlung vom Ökoschwein zum Klimarettungspropheten nicht von Dauer wäre.
    Ich hatte mich so was von getäuscht.
    Während ich die Teller abspülte, packte Daniel seine Mitbringsel aus. Biokaffee, Bioschokolade und Matetee aus fairem Handel, eine Luffagurke als Spülschwamm und eine Packung Müsliriegel, die aussahen wie das, was wir früher unserem Kanarienvogel in den Käfig gehängt hatten.
    Während Daniel sich wie der Weihnachtsmann aufführte, kamen Mike und Conny in die Küche geschlurft.
    »Es riecht so gut, gibt es was zu essen?«, nuschelte Conny.
    »Alles weg«, erklärte ich mit nur mühsam kaschierter Schadenfreude. »Aber vielleicht wollt ihr ja einen Müsliriegel?«
    Conny griff nach der Packung, aber Mike schüttelte angewidert den Kopf. » Bird food .«
    Genau.
    »Alles bio«, nuschelte Conny angesichts der Mitbringsel um die Körner herum, die mit reichlich Honig an ihren Zähne klebten. »Gut.«
    Ich

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