Möhrchenprinz - Roman
meiste Geld, das zu diesen Gelegenheiten demonstrativ in Form von Autos, Uhren oder Schmuck zur Schau gestellt wurde, beileibe nicht immer das eigene war. Oft genug waren die Autos geleast, die Schmuckstücke geerbt oder geliehen und der Auftritt diente nicht selten nur dazu, den Anschein der Kreditwürdigkeit zu erwecken, damit das nächste Gespräch mit dem Bankberater etwas günstiger ausfiel. Diese Gedanken beruhigten mich ein wenig.
Der gut aussehende Herr am Empfang fand meinen Namen und händigte mir die Eintrittskarte aus, die gleichzeitig als Gutschein für ein Glas Champagner diente. Das holte ich mir direkt an der Bar ab, um mir Mut und Selbstvertrauen anzutrinken. Daniels zynische Bemerkungen überechtes und unechtes Vermögen konnten mein Gefühl, ausgeschlossen zu sein, nicht unterdrücken.
An der Bar fand ich PS im Gespräch mit einer umwerfend schönen, geradezu unglaublich schlanken Frau, deren hochglanzlackierte Fingernägel über seinen Unterarm strichen. Sie trank Champagner, PS hatte ein großes Glas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit, Eiswürfeln und Pfefferminzblättchen in der Hand. Er trug seine Polo-Ausrüstung und sah einfach umwerfend gut aus. Ich reckte das Kinn, nahm einen großzügigen Schluck Schampus und stellte mich so, dass PS mich sehen musste.
»Leonie, wie schön!«
Ich hatte mit dieser Begrüßung nicht gerechnet und wurde rot. PS winkte mich zu sich, ich folgte wie am Faden gezogen und streckte ihm die Hand hin, die er kräftig drückte. Zusätzlich beugte er sich vor, hauchte mir einen Kuss an die Wange und flüsterte: »Rette mich vor der Schlange, sonst verspeist sie mich mit Haut und Haar!«
Er zwinkerte mir verschwörerisch zu, dann zog er die Augenbrauen zusammen und rief: »Nein, da müssen wir sofort gegensteuern!«
Er wandte sich der Hochglanzblondine zu, die ich von einem Werbeplakat zu kennen glaubte, küsste ihre Hand, murmelte »Entschuldigung, Geschäfte«, und zog mich mit sich in Richtung Stall.
»Sie verfolgt mich seit meinem zehnten Lebensjahr«, flüsterte er mir zu, während er mit langen Schritten durch die Menge strebte, die sich vor ihm teilte. »Meine Mutter ermutigt sie immer wieder, sich um mich zu bemühen, aber ich kann sie nicht ausstehen.«
Ich fühlte mich wie auf Wolken. Das lag einerseits am Schampus, den ich bereits ausgetrunken hatte, wie ich überrascht feststellte, und andererseits daran, dass PS die schönste Frau des Universums für mich stehen gelassen hatte.Er verlangsamte seine Schritte, damit ich mit ihm mithalten konnte, und blieb vor dem Stall stehen.
»Sorry, in den Stall dürfen nur Beteiligte, aber wenn du kurz hier wartest, bin ich gleich wieder da.«
Ich wartete und schaute mich derweil um.
Die Gäste des Season-Opener-Turniers eines der größten deutschen Polo-Clubs waren eventuell auch hier, um zu sehen, aber vor allem wollten sie gesehen werden. Aufgebrezelte Damen hingen am Arm solariumgebräunter Herren, bei denen man kaum wusste, wo der Hals aufhörte und die Wildlederjacke begann. Die Szenerie erinnerte mich an den alten Film ›My Fair Lady‹, in dem Audrey Hepburn beim Pferderennen einen Gaul anfeuert mit den Worten: »Nun lauf, sonst streu ich dir Pfeffer in den Arsch.« Zumindest war dies meine Erinnerung an die deutsche Fassung, die meine Eltern statt eines gemeinsamen Musikstücks als Ausgangspunkt ihrer Ehe betrachteten. Sie hatten sich im Programmkino anlässlich des zehnten Jubiläums der Musicalverfilmung kennengelernt.
Als PS wieder erschien, führte er ein Pferd am Zügel neben sich her.
»Das ist mein ganzer Stolz: Fantasy.«
Hatte ich schon erwähnt, dass ich Tiere liebte? Pferde gehörten natürlich auch dazu, auch wenn ich selbst nie reiten durfte. Aber im Stall meiner Freundin helfen, striegeln und füttern hatte mir völlig gereicht. Ich war also sofort Feuer und Flamme für das Pferd, dessen Fell nur wenig dunkler glänzte als mein Haar.
»Mir scheint, sie mag dich auch«, sagte PS lächelnd, als das Pferd zielstrebig in meinen Hosentaschen nach Essbarem suchte. Leider vergeblich.
»Gleich fängt das Turnier an. Du solltest dir einen Platz suchen.«
Der Platz am Spielfeldrand war ein Stehplatz in der prallen Sonne. Das Spielfeld war deutlich größer als ein Fußballplatz, ich schätzte es auf mindestens sechsfache Größe, wenn nicht mehr. In jedem Team spielten vier Reiter und das Spiel war so schnell und chaotisch, dass ich ihm nicht folgen konnte. Es war mir aber auch völlig
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