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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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noch nicht erledigt«, zischte ich, nahm die Bettdecke mit und warf sie ins Bad, bevor ich die Wohnungstür öffnete.
    Vor der Tür, die ich schwungvoll und wütend aufriss, stand Daniel. Mit einem großen, schwarzen, teuer aussehenden Koffer.
    »Hilf mir mal«, sagte er und wuchtete das Plastikmonster halb über die Schwelle.
    »Was ist das?«, fragte ich, während ich die Hand an den Griff legte.
    »Ich ziehe bei dir ein.«
    Der Koffer stand auf der Schwelle, daher konnte ich die Tür nicht einfach wieder zuwerfen. Sprechen konnte ich auch nicht. Ich öffnete zwar den Mund, aber es kamen keine Worte heraus, höchstens ein Geräusch, das jeden Sanitäter in höchste Alarmbereitschaft versetzt hätte.
    »Na los! Je länger die Tür offen steht, desto mehr Wärme geht verloren«, drängelte Daniel. Er bückte sich und schob den Koffer mit einem Ruck weiter.
    Ich schrie auf. Das Monstrum war auf meinem Zeh gelandet.
    »Mein Gott, du bist doch sonst nicht so ungeschickt«, maulte Daniel.
    Das reichte. Ich drehte mich um, ging zurück in die Küche und setzte Kaffee auf.
    Ich hörte Daniel mit seinem Koffer hantieren, hörte ihn die Tür schließen, hörte, wie er seine Jacke auszog und in die Küche kam. Er stellte sich hinter mich und umarmte mich, während wir auf den Kaffee warteten. Ich nahm mir eine Tasse und setzte mich an den Tisch. Daniel bediente sich selbst und setzte sich zu mir.
    »Seit wann trinkst du wieder Kaffee?«
    »Kaffee an sich ist weder unökologisch noch unsozial und über die gesundheitlichen Vor- oder Nachteile gibt es widerstreitende Aussagen. Kaffeetrinken schadet also nicht der Nachhaltigkeit.«
    »Solange er bio und fair ist.«
    Daniel nickte. »Was ist, freust du dich gar nicht?«
    »Spinnst du?«, fragte ich. »Hier ist kein Zimmer frei.«
    »Natürlich, Svenjas.«
    »Das ist meins.«
    »Du hast doch eins. Nebenan.«
    Ich atmete tief ein und aus, wie Svenja es getan hätte. »Ich habe zwei Zimmer.«
    Daniel schüttelte den Kopf. »Das eine hat dir doch bisher auch gereicht.«
    Meine Atemtechnik war fruchtlos, ich spürte, wie sich eine Wutwolke im oberen Bauchraum zusammenbraute. »Hat es nicht, ich war …«
    »Wenn dir das Abendlicht besser gefällt, darfst du mich besuchen kommen.« Er tat, als wäre die Angelegenheit ein lustiger Streich, den wir zusammen ausheckten.
    »Ich will aber zwei Zimmer ganz für mich.«
    Aus dem belustigten Zwinkern wurde ein irritiertes Stirnrunzeln. »So viel Platz ist unökologisch.«
    Ich stieß ein schrilles Lachen aus, das vermutlich genau so hysterisch klang, wie ich mich fühlte. Aber dann kam mir die rettende Idee. Sofort ploppten Bilder von weiten Sofalandschaften in weißem Leder vor meinem geistigen Auge hoch, ein Flachbildfernseher von der Größe meines Küchentischs, ein Bad aus Granit mit einer freistehenden Badewanne und einer bodengleichen Dusche. »Okay, ich habe einen Vorschlag: Du lebst ökologisch in dieser Horrorbude und ich bekomme dein Penthouse.«
    Daniel schüttelte den Kopf. »Das ist vermietet. An den Steuerberater, der seine Kanzlei eine Etage tiefer hat.« Er zwinkerte mir zu. »Ich glaube, der braucht ein Liebesnest, von dem seine Frau nichts weiß.«
    »Dann frag Mike, ob er mit Conny ein Zimmer teilen will und dir seins gibt. Die beiden hängen sowieso immer zusammen.«
    Daniel dachte immerhin darüber nach. »Das muss ich mir ansehen.«
    Wir gingen zu Mikes Tür und öffneten sie vorsichtig. Die Achtsamkeit war heute unnötig, es kam uns kein Kaninchen, keine Maus und kein Vogel entgegen. Eingefangene Tiere waren das Einzige, was Mike gelegentlich mit nach Hause brachte, Lebensmittel oder andere nützliche Dinge hatte er noch nie besorgt.
    Trotzdem bot das Zimmer keinen erfreulichen Anblick. Mangels Schränken oder Regalen lag alles, was Mike besaß, auf dem Boden, und zwar völlig durcheinander. Auf zwei Böcken ruhte eine grobe Holzplatte, die als Tisch diente, wobei keine lebende Kreatur Mike jemals an einem Tisch hatte arbeiten oder lernen sehen. Die verstreuten Klamotten rochen unangenehm nach Schweiß und anderen Aromen, deren genaue Herkunft ich lieber nicht ergründen wollte, und mindestens drei zweckentfremdete Teller enthielten Berge von Kippen und Asche und Reste von riesigen Joints.
    »Nein«, sagte Daniel und schloss die Tür. »Da müssten erst der Schädlingsbekämpfer, die Seuchenkontrolle und der Maler durch, das möchte ich mir nicht antun.«
    »Ach, da nimmst du mir lieber mein Zimmer weg«, maulte ich.

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