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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Newsletter oder SMS. Damit ist der Streuverlust praktisch eliminiert.«
    PS gab seinen skeptischen Gesichtsausdruck auf und lächelte mich an. »Sehr gut.«
    »Danke.« Ich versuchte, cool zu bleiben, obwohl ich ihm am liebsten um den Hals gefallen wäre.
    »Und wie soll die Kampagne inhaltlich angelegt sein?«
    »Eleganz.«
    Die Augenbrauen meines Chefs gingen nach oben.
    »Obwohl der moderne Mensch gern herablassend lächelt, wenn er hört, dass Naturvölker die Gehirne ihrer Feinde aßen, um deren Intelligenz zu übernehmen, ist ein ähnlicher Glaube auch bei uns tief im Unterbewusstsein verankert. Getränke oder Joghurt in taillierten Flaschen werden gekauft, weil die Konsumenten glauben, dass die Produkte schlank machen. Wer jemals ein Mastschwein gesehen hat, greift seltener zu Schweinefleisch. Aber nicht, weil er Mitleid mit dem armen Tier hat, sondern weil er nicht so fett und unbeholfen werden will wie das Schwein.«
    »Das denkst du dir aus«, warf PS belustigt ein.
    »Es gibt Studien darüber«, konterte ich. »Die kann ich dir zur Verfügung stellen.«
    Er nickte.
    »Wir wenden uns bei der Endverbraucherwerbung ganz gezielt an solche Menschen, die bewusst auf ihre Gesundheit und ihr Aussehen achten. Ihnen bieten wir Produkte, die genau das sind, was diese Menschen sein wollen: elegant, kraftvoll, frei.«
    »Im Fall unserer Produkte ist all das Vergangenheit. Das Tier, das wir diesen Leuten verkaufen wollen, ist tot«, wandte PS mit einem maliziösen Lächeln ein.
    »Die gedankliche Assoziation an das lebende Wildtier reicht schon als Verkaufsargument«, gab ich zurück.
    »Kein Fleischprodukt wird mit dem Tier beworben, aus dem es hergestellt wurde. Der Verbraucher erträgt doch die Vorstellung gar nicht, dass das Stück Fleisch auf seinem Teller mal ein Lebewesen mit großen Augen und einemflauschigen Fell oder zumindest einem rosa Rüsselchen im Gesicht war.«
    »Falsch«, konterte ich. »Es gibt einen Biohof, der Namen und Foto des Rindes auf die Gläser druckt, in denen die Leberwurst genau dieses Tiers verkauft wird.«
    PS runzelte ungläubig die Stirn. »Das ist makaber«, sagte er.
    »Nein, das ist unter dem Motto ›bewusst genießen‹ zu verstehen. Die sogenannten LOHAS sind stolz darauf, dass sie sich des Tiers, das ihr Steak einst gewesen ist, bewusst sind.«
    »LOHAS?«
    »Steht für ›Lifestyle of Health and Sustainability‹. So eine Art Ökobewegung auf Spießbürgerniveau.«
    PS grinste. »Bis eben hielt ich mich auch für einen Angehörigen dieser Gruppe, aber darüber denke ich lieber noch einmal nach, wenn du diese Leute für Spießbürger hältst.«
    »Ähem …«
    Er wischte das Thema mit einer Handbewegung weg. »Wie genau stellst du dir die Werbung nun vor?«
    Ich legte ihm einige Hochglanzbilder vor, auf denen elegante Springböcke, Oryxe, Kudus und Eland-Antilopen in weiten Steppenlandschaften zu sehen waren.
    »Sehr stimmungsvoll«, sagte PS, nachdem er eine Weile auf die Ausdrucke gestarrt hatte. »Allerdings frage ich mich, wie du das Krokodilfleisch und die Klapperschlange in diese Kampagne einbindest.«
    Gegen drei Uhr an diesem Freitag brachte ich PS die versprochenen Studien in sein Büro und fand ihn auf dem Sprung in den Feierabend. Er trug einen Reithelm auf dem Kopf und eine Art Hammer mit einem überdimensioniert langen Stiel in der Hand. Ich muss wohl überrascht ausgesehen haben, denn er klopfte auf den Helm und grinste.
    »Das ist meine Lebensversicherung für das Wochenende.«
    »Aha.«
    »Poloturnier.« Er machte eine Pause und schaute mich nachdenklich an. »Hast du Lust, dir das einmal anzusehen? Dann setze ich dich auf die Gästeliste.«
    Ich nickte spontan und ließ mir Ort und Zeit des Wettkampfes erklären. Ein Poloturnier, bei dem PS mitmachte, war doch mal etwas Aufregenderes als Klamottenshopping.
    Das alte Schloss, auf dessen weitläufigem Grund das Turnier stattfand, hatte ich vor Jahren mit meinem Vater besucht. Er mochte alte Burgen und Schlösser und fuhr gern Rad. Ich fuhr ebenfalls gern Rad und liebte die Ausflüge, bei denen ich meinen Vater ganz für mich allein hatte. Daher kannte ich den Veranstaltungsort, hätte das Gelände allerdings kaum wiedererkannt, denn es war überlaufen von Menschen, die in großen Autos vorfuhren, über die zur Schuhschonung mit Rindenmulch ausgelegten Wege zum Eingang strebten und so viel Reichtum aus jeder Pore schwitzten, dass ich mir völlig fehl am Platze vorkam. Zum Glück wusste ich von Daniel, dass das

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