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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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»Aber da hast du dich geschnitten.«
    »Sweetie, sieh es doch mal von der positiven Seite: Ich zahle natürlich die Miete für den Raum, ich biete dir Verstärkung gegen die Kiffer-Fraktion und wir zwei haben doch immer viel Spaß zusammen gehabt. Ich freue mich richtig darauf, dass wir jetzt zusammen wohnen.«
    Ich schlang die Arme um die hochgezogenen Knie, legte den Kopf darauf und fragte mich, aufgrund welcher Verfehlungen ich plötzlich so mieses Karma hatte.
    Daniel trug meine Sachen hinüber in mein Zimmer und richtete sich in »seinem« ein.
    Ich verweigerte jede Hilfe, schnappte mir meine Jacke und verließ die Wohnung.
    Ziellos wanderte ich durch die Stadt, schlenderte am Rheinufer entlang, fror aber schon bald in dem nasskalten Wetter. Ich zog es vor, mich in ein Café zu setzen. Auf dem Wandbord lagen Zeitschriften, und da ich nichts Besseres zu tun hatte, griff ich nach der erstbesten. Es war ein Reisemagazin mit dem Titel: ›Für Entdecker, Abenteurer und Aktivurlauber‹.
    Gleich die erste Geschichte riss mich aus meiner Lethargie. Fotosafari in Namibia. Die Bilder, die ich sah, faszinierten mich. Rote Sanddünen, ausgebleichte Knochen von riesigen Tieren im Sand, gut aussehende Menschen beim Sandboarden, eine strubbelige Pflanze, der in ihrem ganzen Leben nur zwei Laubblätter wuchsen, die dann über die Jahrhunderte verwitterten, ein tiefer Canyon, einzigartige Landschaften, der unvermeidbare Sonnenuntergang und natürlich Tiere. Löwen, Zebras, Elefanten, Antilopen und Nashörner, aber auch so putzige Exemplare wie Borstenhörnchen.
    Meine Stimmung war wie ausgewechselt. Ich würde nach Afrika fahren. Gleich nach meiner Probezeit würde ich Urlaub nehmen und die Tiere und Landschaften, die ich in den letzten Wochen auf wunderschönen Hochglanzfotos bewundert hatte, in natura sehen.
    Namibia, ich komme!
    Mit dieser Aussicht kam meine eigentlich ziemlich unerschütterliche Gelassenheit zurück und ich genoss den Tag in der Stadt, ließ mich treiben, aß asiatisch zu Mittag, fuhr mit der Straßenbahn zum Wildpark, ging im Grafenberger Wald wandern und später ins Kino. Als ich nach Hause kam, lag von Daniel nur ein Zettel auf meiner Türschwelle: »Komme erst Montag wieder, XXX. D.«
    Fast war ich ein wenig traurig, dass ich den regnerischen Sonntag allein verbringen musste.
    »Das kommt gar nicht in Frage«, erwiderte PS am folgenden Montag, als ich ihm von meinen Reiseplänen berichtete und um Urlaub bat. »Den Urlaub bekommst du natürlich. Aber nach Namibia, da fliegen wir beide gemeinsam hin.«
    Ich öffnete und schloss den Mund wie ein Goldfisch im Nudelsieb.
    »Du willst die Eleganz der Tiere und ihr natürliches Lebensumfeld als zentrales Argument der Marketingkampagne herausstellen – dann solltest du es auch mit eigenen Augen gesehen haben. Und gleichzeitig können wir ein paar Geschäftskontakte auffrischen.«
    Natürlich nickte ich. Natürlich wurde ich knallrot. Natürlich lief vor meinem geistigen Auge sofort ein Film ab, in dem PS und ich in einem Baumhaus einen furchtbar kitschigen Sonnenuntergang beobachten, bevor er mein Kinn hebt und mich küsst …
    Leider schob sich das Bild von PS und dem Model im Pferdestall dazwischen. Ob er mit dieser Tussi liiert war? Würde ich so tief sinken, dass ich in den Klatschspalten der einschlägigen Magazine nach seinem Namen suchen würde? War PS überhaupt so wichtig, dass er in diesen Klatschspalten auftauchte? Eine einfache Suche im Internet wäre ja noch nichts Ehrenrühriges, das taten heute doch alle, wenn sie etwas über jemanden in Erfahrung bringen …
    »… besten bald. Mal sehen, ob wir auf die Schnelle einen Termin finden.«
    Kein Sonnenuntergang, kein Kuss, sondern hektisches Wischen am Display seines Smartphones. Irgendwann blickte er auf und zuckte mit den Schultern. »Okay, ich gebe es auf. Sprich den Termin mit Frau Weishaupt ab, die findet immer eine Lösung.«
    Frau Weishaupt fand eine, allerdings nicht so bald, wie ich gehofft hatte. Erst im Juni sollte es losgehen. Ab sofort würde ich die Tage bis zur Abreise zählen. Von heute an waren es noch zweiundvierzig. Eine Ewigkeit!

7
    Ich kam in Hochstimmung nach Hause und war fest entschlossen, Daniel und seiner Hausbesetzung mit Gelassenheit zu begegnen. Der gute Vorsatz hielt ungefähr zweieinhalb Minuten, nämlich genau die Zeit, die ich brauchte, um meine Schuhe abzustreifen (ich hatte mich inzwischen an hohe Hacken gewöhnt, freute mich aber trotzdem, wenn ich sie

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