Möhrchenprinz - Roman
nur unzureichend erwärmte,aber in Notsituationen fand ich es angemessen, die zusätzliche Wärmequelle zu nutzen. Dies war eine Notsituation. Allerdings ohne zusätzliche Wärmequelle. Der Heizstrahler war weg.
»Ich will meine Kaffeemaschine, ich will meinen Heizstrahler und ich will heißes Wasser!«, brüllte ich Daniel zwei Stunden später an.
Von heiterer Gelassenheit keine Spur.
»Die Energieeffizienz von Kaffeemaschinen ist katastrophal, über den Heizstrahler brauchen wir in einer Wohnung mit Zentralheizung gar nicht zu diskutieren und das heiße Wasser kommt wieder, sobald der neue Durchlauferhitzer da ist.«
Ich starrte ihn ungläubig an. Wir hatten Monate mit dem Vermieter um das jetzige Gerät gerungen, nachdem das Vorkriegsmodell wochenlang nicht richtig funktioniert hatte. Und jetzt gab es wieder ein neues?
»Elektronisch geregelt, sehr energieeffizient.«
»Bestimmt sauteuer, das haut der uns doch auf die Miete drauf.«
Daniel grinste selbstzufrieden. »Den bezahle ich selbst. Eine sehr lohnende Investition. Damit stellst du die Temperatur ein und dann kommt sie exakt auf das Grad genau so heraus.«
»Mir würde heißes Wasser reichen, es muss gar nicht exakt sein, sondern einfach nur heiß !«, schrie ich.
»Ich vermute, dass der Durchfluss des neuen Wassersparkopfes zu gering für den alten Durchlauferhitzer ist. Wenn nicht genug durchgeht, springt er nicht an.«
»Wenn das das Problem ist, gehe ich jetzt schwallduschen.«
Ich holte die Rohrzange aus der untersten Badezimmerschublade, in der sie jederzeit griffbereit lag, um notorischtropfende Wasserhähne von Zeit zu Zeit zu entkalken, schraubte den Duschkopf vom Schlauch und planschte geschlagene zehn Minuten unter einem daumendicken Strahl heißen Wassers herum. Daniel klopfte und schrie vor der Badezimmertür, dass eine Dusche maximal zwei Minuten dauern dürfe, alles andere sei nicht nachhaltig, schon gar nicht ohne Duschkopf, sprich: Durchflussbegrenzer. Ich sang etwas lauter, um sein Gezeter nicht mehr hören zu müssen.
Die nächsten acht Tage verbrachte Daniel im Ausland, was Mike, Conny und mir die Gelegenheit gab, unser einigermaßen geregeltes Leben wieder aufzunehmen. In Mikes und Connys Fall bedeutete das ausgiebiges Kiffen, ausgiebiges Pennen, Wegfressen aller Lebensmittel aus dem Kühlschrank, weshalb ich die wirklich wichtigen Dinge inzwischen in einer Edelstahlkassette mit Vorhängeschloss unterbrachte. In meinem Fall bedeutete das ausgiebiges Duschen, freien Milchkonsum und den öffentlichen Gebrauch einer Leih-Kaffeemaschine von Josef, dem Pförtner. Er war, wie ich inzwischen wusste, ein Genie im Beschaffen von schwer beschaffbaren Dingen. Dazu gehörten Kaffeemaschinen üblicherweise nicht, diese besondere aber schon. Es war eine Miniaturausgabe für eine einzige Tasse Kaffee mit dem Vorteil, dass dieses Gerät keine Kaffeepads benötigte, sondern einen Dauerfilter besaß, sodass Daniel im Müll, den er regelmäßig nach Verbotenem durchsuchte, nichts Verräterisches fand. Außerdem war die Maschine, im Gegensatz zu dem asthmatischen Vorgänger, praktisch unhörbar leise.
Während Daniels Anwesenheit stand die Maschine unter meinem Bett und blubberte konspirativ vor sich hin, während ich morgens duschte. Bei der Milch hatte ich mich inzwischen mit ihm auf zwei Liter pro Woche geeinigt.
Die ständigen Diskussionen, Rechtfertigungen und Daniels Belehrungen waren so ermüdend, dass ich die Arbeit, die mich ebenfalls forderte, als Erholung empfand. Wenigstens tat ich dort etwas Sinnvolles und kämpfte nicht wie die einzig überlebende Normalbegabte gegen einen Haufen irrer Zombies.
»Sinnvoll nennst du deine Aufgabe?«, fragte Daniel, als ich ihm während eines Streits meinen Frust über seine Bevormundung und die Eingriffe in mein Leben vorwarf. »Was tust du doch gleich?«
»Ich bin Teil eines Unternehmens, das über hundert Mitarbeiter beschäftigt, und entwerfe eine sehr innovative Werbekampagne.«
Er runzelte die Stirn. »Für Kannibalismus.«
»Für die Qualität von Premiumfleisch.«
»Was genau verstehst du unter Premiumfleisch?«
Ich erläuterte die Eckdaten der neuen Produktlinie und meine Pläne für die Kampagne.
»Der Fleischkonsum sollte sinken, nicht steigen«, knurrte Daniel.
»Wildfleisch ist etwas ganz anderes als Mastschwein aus Oldenburg«, hielt ich dagegen.
»Dann lass die Afrikaner ihre Antilopen futtern und wir Europäer essen Rind und Schwein aus ökologischer Tierhaltung, und zwar
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