Möhrchenprinz - Roman
ausziehen konnte), in die Küche zu gehen und nach der Kanne der Kaffeemaschine zu greifen, um mir einen Kaffee zu machen.
Es gab keine Kaffeemaschine mehr. Dort, wo sie einmal gestanden hatte, befand sich nun ein Wasserkocher. »Bitte nur die benötigte Menge Wasser kochen« hatte Daniel auf einen Klebezettel gekritzelt. Daneben standen eine Thermoskanne, ein Kaffeedauerfilter und unsere Kaffeedose.
» Where’s the coffee machine ?«, nuschelte Mike, der hinter mir im Türrahmen erschienen war. Er hatte es wirklich drauf, den ganzen Tag im Halbschlaf zu verbringen, aber meine Heimkehr abzupassen, um mich gleich mit irgendwelchen Beschwerden, Aufträgen oder Grundsatzdiskussionen zu nerven.
»Hast du gehört, dass ich gerade nach Hause gekommen bin?«, fragte ich.
Mike nickte verpennt. Oder bekifft. Oder dämlich.
»Das bedeutet, dass ich den ganzen Tag weg war. Arbeiten, um genau zu sein. Woher zum Teufel soll ich also wissen, WO DIE BESCHEUERTE KAFFEE MASCHINE ABGEBLIEBEN IST?«, fragte ich mit steil ansteigender Lautstärkekurve.
» Toilet paper’s shitty, too «, nuschelte Mike noch, dann schlurfte er zurück in sein Zimmer.
Ich machte mir einen Kaffee von Hand, was den Nachteil hatte, dass ich dabei bleiben und immer wieder kochendes Wasser in den Filter gießen musste, während ich eigentlich nur den Knopf drücken und währenddessen duschen wollte. Also erst mal keine Dusche.
Endlich war der Kaffee in der Tasse und ich griff in die Kühlschranktür, dorthin, wo üblicherweise meine Packung Vollmilch steht – aber ich griff ins Leere. Keine Milch. Stattdessen ein Klebezettel: Milch ist sehr klimaschädlich – bitte maximal einen Liter pro Woche trinken.
Gut, heute war Montag und ich hatte die Milchpackung erst gestern geöffnet und etwa hundert Milliliter herausgenommen. Wo also war meine Milch?
Ich stürmte zu Mikes Zimmer, das leer war, rannte weiter zu Connys, riss dir Tür auf, fand die beiden in einen süßlich riechenden Nebel gehüllt und fragte: »Wo ist die Milch?«
»Brauchte ich für’s Müsli«, murmelte Conny, die auf ihrem Bett lag und strickte. Mein Müsli war demzufolge auch weg und mein Frühstück am folgenden Tag somit gleich doppelt hinfällig.
»Seit wann isst du Müsli?«, fragte ich zurück.
»Seit es keine Aufbackbrötchen mehr gibt.«
Tatsächlich. Die zwei Tiefkühlfächer, die unseren Kühlschrank zu einem vollwertigen WG -Mitglied gemacht hatten, waren außer Betrieb. Keine Aufbackbrötchen, von denen Conny sich praktisch ausschließlich ernährte, lagen in den Schubladen, allerdings auch kein Klebezettel. Nurdie Bedienungsanleitung. Darin stand ausdrücklich, dass die Tiefkühlfächer und der Kühlschrank an einer einzigen Steuerungseinheit hingen und nicht unabhängig voneinander ein- und ausgeschaltet werden konnten. Ich ahnte Schlimmes. Daniel hatte als Kind begeistert mit Elektrobaukästen gespielt. Offenbar hatte er eine Möglichkeit gefunden, die Tiefkühlfächer vom Kühlschrank abzukoppeln. Allerdings bezweifelte ich, dass es eine zerstörungsfreie Manipulation war, die er rückgängig machen könnte (wenn er denn wollte) …
Nach dem langen Arbeitstag, dem milchlosen Kaffee und dem Schreck der diversen Veränderungen meines Lebensumfeldes freute ich mich auf eine heiße Dusche, aber unser Duschkopf, dessen Strahl man auf »Regentropfen«oder »Massagestrahl« einstellen konnte, war weg. Stattdessen hing ein seltsames Plastikding am Duschschlauch, dessen breiteres Ende entfernt an einen alten Telefonhörer erinnerte. Damit meine ich ein Telefon mit Wählscheibe und schwarzer, hochstehender Gabel, das heute vermutlich nur noch im Deutschen Museum zu besichtigen ist, bei meinen Eltern aber bis weit in die Achtziger in Betrieb war. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich einige große Löcher, durch die das Duschwasser wohl kommen sollte, also zog ich mich aus und drehte das Wasser an. Es wurde allerdings nicht heiß. Ich drehte den Temperaturregler auf kalt, dann wieder auf heiß, aber das Wasser blieb kalt. Fröstelnd stieg ich aus der Dusche und tappte zum Durchlauferhitzer. Er war eingeschaltet und betriebsbereit. Ich tappte zurück in die Dusche und probierte es wieder. Kein heißes Wasser. Inzwischen fror ich erbärmlich. Wieder verließ ich die Dusche, hüpfte über die eiskalten Fliesen und drückte auf den Schalter des Heizstrahlers. Das Ding hatten wir zwar für die ganz kalten Wintertage angeschafft, wenn die Zentralheizung des Altbaus die Wohnung
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