Möhrchenprinz - Roman
wechselten Daniel und ich einen Blick und prusteten wieder los.
Dann krabbelte Daniel unter dem Küchentisch hervor, ging auf den Besucher zu und streckte ihm die Hand hin.
»Hi, ich bin Daniel.«
»Thomas.«
»Die Furie am Spülbecken ist Leonie.« Daniel musste wieder lachen, während er mich mit einem Blick über die Schulter vorstellte.
»Freundin?«, fragte Thomas.
»Schlimmer. Schwester.«
»Blödmann«, brummte ich und schob mich an den beiden vorbei in Richtung Bad.
»Ich sag ja: schlimmer!«, rief Daniel mir hinterher.
Ich brachte Daniel sein Handtuch und eins für Thomas und ging duschen. Als ich zurückkam, war die Küche einigermaßen trocken und der Aufnehmer müffelte auf demHeizkörper vor sich hin. Daniel und Thomas saßen am Tisch, dampfenden Kaffee vor sich.
»Auch eine Tasse?«, fragte Daniel und schenkte ein, ohne auf eine Antwort zu warten.
»Wo waren wir stehen geblieben?«
Thomas hatte sein nasses T-Shirt ausgezogen und zeigte einen Oberkörper, der zwar nicht werbetauglich aber auch nicht allzu peinlich war.
»Ich möchte bei euch mitmachen«, wiederholte Thomas.
Er war vermutlich nur wenig älter als ich, Ende zwanzig oder Anfang dreißig, etwas kleiner als Daniel und mittelblond. Seine Frisur war keine, die diesen Namen verdiente, und die letzte Rasur lag einige Tage zurück. Er trug Jeans, die ihren ausgefransten Look tatsächlich durch jahrelange Benutzung bekommen hatten und Markenturnschuhe, die selbst die Altkleidertonne wieder ausgespuckt hätte. Seine Augen waren grün und leuchteten hell aus dem schmalen, ebenmäßigen Gesicht. Ein Lederhalsband mit einer kleinen, silbernen Walflosse war der einzige Schmuck, den er trug.
»Erklär mir noch mal, wie du mich gefunden hast«, sagte Daniel.
»Da es kein Bekennerschreiben und kein Logo auf eurem Banner gab, war das nicht so leicht. Aber du warst auf dem Bild in der Zeitung. Auf dem Feuerlöschboot. Ich weiß, dass die Jungs immer nach dem Namen des Geretteten fragen. Wegen Datenschutz dürfen sie den natürlich nicht weitersagen, aber ich habe da eine Quelle …«
Daniel grinste mich an. »Der Mann hat was auf dem Kasten.«
»Was machst du beruflich?«, fragte ich.
Thomas zuckte unverbindlich mit den Schultern.
»Du hast also Zeit, ja?« Daniel klang begeistert.
»Meistens.«
»Super! Dann können wir endlich ein paar aufwändigere Aktionen planen. Arno, der die Demo im Rhein organisiert hat, ist ganztags berufstätig, das blockiert ihn ungemein.«
Ich seufzte. War ich denn nur noch von untätigen Herumhängern umgeben? Conny, Mike, Daniel und jetzt auch noch dieser Thomas. Und ich war die Einzige, die morgens aufstehen und arbeiten musste und abends ein Chaos in ihrer Küche vorfand, das sie dann allein beseitigte, weil es alle anderen nicht störte?
»Und du?«, fragte Thomas mich.
Ich verschluckte mich fast an meinem Kaffee. »Ich habe mit der Sache nichts zu tun«, beeilte ich mich zu sagen.
»Sie ist eine ordentliche, kleine Sekretärin in einem Fleischgroßhandel.«
»PR-Managerin«, korrigierte ich.
Daniel zwinkerte mir zu. Ich zeigte ihm einen Vogel, konnte mir aber ein Grinsen nicht verkneifen. Trotz seiner bescheuerten Weltenretter-Attitüde war mir mein Bruder immer noch der liebste Chaot. Mit wem sonst konnte man sich schon an einem normalen Freitagnachmittag eine Wasserschlacht in der eigenen Küche leisten?
Auch dieser Thomas machte einen relativ vernünftigen Eindruck und würde hoffentlich einen positiven Einfluss auf Daniel ausüben. Vielleicht konnte er meinem Bruder dabei helfen, endlich von seinen Extrempositionen zu lassen und das rechte Maß zu finden. Ich war also verhalten optimistisch. Auch wenn ich genau wusste, dass ich mich an Strohhalme klammerte.
»Wir waren gerade bei den Vorbereitungen für das Abendessen, als du hereingeplatzt bist. Willst du mitessen?«, fragte Daniel seinen neuen Freund.
Thomas grinste mich übermütig an. »Wenn das die Essensvorbereitungen waren, möchte ich gar nicht erleben, wie euer Abwasch aussieht.«
10
»Wir müssen dich langsam in die Fachwelt einführen«, sagte PS statt einer Begrüßung.
Er saß an meinem Schreibtisch, als ich montags ins Büro kam. Das Wochenende war für mich gut gelaufen, denn ich hatte endlich mal wieder Erfolg beim Shoppen gehabt. Daniel hatte mit seinen neuen Kumpeln Arno und Thomas stundenlang Pläne geschmiedet. Abends waren wir alle zusammen an den Rhein gegangen, diesmal ohne Bad und Banner. Wir hatten auf den
Weitere Kostenlose Bücher