Möhrchenprinz - Roman
langer Zeit für diese Art von Information Adressen gekauft wurden. Heute war der Zugang zu derartigen Daten so viel einfacher – und die User lieferten uns die Informationen durch ihr Online-Verhalten selbst und freiwillig. Der Bericht der Agentur zeigte auch, wie viele Sekunden die mit der Umfrage-Ankündigung konfrontierten User gewartet hatten, bevor sie die Banner weggeklickt hatten und wie viele User dem Link gefolgt waren. Die Auswertung der Antworten folgte, die uns allerdings nicht wirklich interessierte. Natürlich hatten die Leute angekreuzt, dass sie sich für die Qualität des Fleisches auf ihrem Teller interessierten und dass sie das unnötige Leiden von Tieren ablehnten. Alles andere hätte mich auch sehr gewundert.
Ich telefonierte fast den ganzen Tag und hatte abends um sechs wieder rote Ohren, allerdings mehr vor Anstrengung als vor Aufregung. Jeder einzelne Fernsehkoch, mit dem ich heute telefoniert hatte, wollte zwar eine Kooperation nicht grundsätzlich ausschließen, bat aber um einen schriftlichen Konzeptvorschlag, bevor er gemeinsame PR-Maßnahmen in Erwägung ziehen würde. Dabei hatte ich von PS die Freigabe erhalten, einen oder mehrere dieser Herren zu einer Reise nach Afrika einzuladen, um die Wildspezialitäten vor Ort zuzubereiten. Was erwarteten die Herrschaften eigentlich sonst noch? Ein paar Blutdiamanten gratis im Samtsäckchen?
Ich war entsprechend mundfaul, während PS mir die Autotür öffnete und ich mich in den Ledersitz sinken ließ. Aus welchem Leder wurden eigentlich Autositze hergestellt?, fragte ich mich flüchtig. Rind? Lamm? Antilope? Krokodil war es jedenfalls nicht, so viel konnte ich feststellen. Ich musste über mich selbst grinsen. Ein Krokositz hätte mich ein bisschen nervös gemacht, obwohl das natürlich schwachsinnig war. Aber ich hatte immer schon Angst davor gehabt, dass sich ein gefährliches Tier von hinten an mich heranschleicht und mir in den Hintern beißt und da wäre ein Sitz aus Krokoleder …
»Was amüsiert dich denn so?«
Himmel, hatte ich etwa wirklich so dämlich gegrinst, wie ich mich gerade gefühlt hatte?
»Äh, ich dachte an die Herren Meisterköche …«
»Hast du etwa mit den Herren selbst gesprochen? Nicht mit ihren Managerinnen, Producerinnen, Agentinnen oder wer auch immer sonst die hohen Herren vor der multimedialen Bedrohung von außen abschirmt?«
»Mit dreien habe ich selbst gesprochen, nachdem ich letzte Woche bereits die Kontakte zu den betreffenden Turmdrachen hergestellt hatte.«
PS lachte. »Und?«
Ich seufzte. »Die tun s0, als sei eine Einladung erster Klasse in eine First-Class-Lodge eine Zumutung, die sie nur ungern auf sich nehmen.«
»Tja, ich schätze, dass sie es sich leisten können.«
Ich seufzte wieder. Ich hatte mir diesen PR-Gag ausgedacht, weil ich wusste, wie viele Menschen Kochsendungen sahen. Menschen jeden Alters, beiderlei Geschlechts und mit jedem beliebigen Bildungsstand. Mir war das immer ein Rätsel gewesen, denn das ständige Gelaber beim Kochen ging mir auf den Keks. Aber Product-Placementwar eine sehr wirksame Marketingstrategie und Fernsehköche waren die idealen Werbeträger.
PS hatte einen Tisch in einem kleinen aber feinen Restaurant in Niederkassel reserviert, das bemüht bodenständig aussah – bis man einen Blick auf die Preise warf. Damit hatte ich heute zum Glück nichts zu tun.
»Welchen Wein trinkst du?«, fragte PS mich nach einem Kennerblick in die Weinkarte.
Das Rotweinbesäufnis mit Daniel vor seiner bescheuerten Schwimmdemo drängte sich in mein Gedächtnis. »Auf jeden Fall weißen.«
PS bestellte einen Weißwein zu einem Preis, bei dem ich an ein Paar neue Schuhe dachte, Seeteufel mit Zitronenrisotto für sich selbst und eine Bouillabaisse für mich. Sowohl das Essen als auch der Wein waren himmlisch, und nachdem ich mich gestärkt hatte, fühlte ich mich den Planungen für die australischen Delikatessen gewachsen.
»Kennst du den Film ›Crocodile Dundee‹?«, fragte PS beim Espresso.
Ich verdrehte die Augen. Das war einer der Lieblingsfilme meiner Mutter, den sie erst auf Video, später auf DVD besaß und mindestens einmal monatlich anschaute. »Yep.«
»Das ist die Vorlage für die Australien-PR.«
Ich nippte an der Espressotasse, obwohl sie längst leer war. War offener Widerspruch angebracht, wenn der Chef Unfug faselte? Crocodile Dundee ging ja wohl gar nicht!
Ich räusperte mich. »Hm, ich weiß nicht, ob dieses Ideal vom naiven Naturburschen wirklich noch
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