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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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beklatscht würde.
    »Ich will nicht lange reden, aber ein paar Bemerkungen werden Sie ertragen müssen. Das Restaurant ›eat meat‹ wendet sich an Fleischesser, die mehr vom Leben wollen als das gute alte Schnitzel.«
    Leises Gelächter.
    »Hier finden Sie Spezialitäten aus aller Welt. Vom brasilianischen Rodizio bis zum Krokodilsteak in Ingwermarinade verwöhne ich Sie mit den besten Fleischsorten und erlesenen Beilagen. Für heute Abend habe ich eine Auswahl vorbereitet, die Ihnen einen Vorgeschmack geben soll auf das, was Sie demnächst hier erwartet. Ich wünsche Ihnen und mir einen geschmackvollen Abend.«
    Er hob das Glas, prostete in die Runde und trank einen Schluck, während die Gäste erst applaudierten und dann ebenfalls zu ihren Gläsern griffen.
    Ich hatte während der Ansprache meinen Vater beobachtet, der wie gebannt an Gantinis Lippen hing. Ein halb stolzes, halb seliges Lächeln lag auf seinem Gesicht, das ich nicht mehr gesehen hatte, seit Daniel sein Abiturzeugnis entgegengenommen hatte. Bei meiner eigenen Zeugnisvergabe hatte ich Papas Gesicht im Zuschauerraum der Aula nicht erkennen können.
    »Und Sie sind mit Herrn Gantini bekannt?«, fragte Bettina Haltermann. Vor dem Wort »bekannt« hatte sie eine winzige Pause gemacht, womit klar war, dass sie wusste oder zumindest vermutete, in welcher Art von Beziehung die beiden zueinander standen.
    Papa räusperte sich und schickte mir einen kurzen Seitenblick, dessen Bedeutung mir nicht ganz klar war. Eine Entschuldigung?Eine Bitte, ihn nicht lächerlich zu machen? Wofür hielt er mich?
    »Genau. Ich habe allerdings mit dem Restaurant selbst gar nichts zu tun. Im Gegenteil, ich vertrete den Feind.«
    Haltermann zog eine Augenbraue hoch.
    »Ich bin Steuerprüfer.«
    Alle am Tisch lachten, ich auch. Mein Vater lachte am lautesten. Er wirkte erleichtert. Bettina Haltermann hatte ein feines Gespür für gutes Timing, denn noch in das allgemeine Gelächter hinein fragte sie mich: »Und wie hängen Sie nun alle zusammen? Ihr Vater ein Bekannter des Inhabers und Sie die Assistentin des Fleischgroßhändlers, also sind Sie die Schlüsselfigur?«
    PR-Managerin, hätte ich gern richtiggestellt, oder besser gesagt hätte ich mir gewünscht, dass PS Frau Haltermann korrigierte, aber er sagte nur: »Das ist Zufall. Der Kontakt ist jedenfalls nicht über Frau Tutz zustande gekommen.«
    »Indirekt schon …«, murmelte mein Vater, aber PS ließ ihn nicht zu Wort kommen.
    »Herr Gantini und ich …« Meine Aufmerksamkeit schweifte ab, wie aus weiter Entfernung bekam ich nur mit, wie PS von gemeinsamen Zielen sprach und eine seiner Standardreden zum Thema gehobene Qualität versus Massenware vom Stapel ließ. Bettina Haltermann lauschte interessiert und machte sich Notizen, bis die Vorspeise aufgetragen wurde.
    »Carpaccio vom Kobe-Rind mit grünem Meerrettich und Bambussprossen«, erklärte Mauro, der in der Mitte des Raumes stand und seine Kellner dirigierte. »Guten Appetit.«
    Wir futterten uns durch diesen und vier weitere Gänge, deren Hauptbestandteil Fleisch in allen Variationen war, und ich musste zugeben, dass alles ganz hervorragend schmeckte. Ich blendete die Gespräche zwischen PS und derJournalistin aus, denn alles, was er sagte, kannte ich schon. Manche Texte hatte ich selbst geschrieben.
    Stattdessen unterhielt ich ab dem zweiten Gang ein wortloses Gespräch mit meinem Vater. Diese Art der Verständigung hatten wir in jahrelanger Übung perfektioniert, weil Mama schon immer zu Sprechdurchfall neigte. Unzählige gemeinsame Mittagsmahlzeiten vergingen damit, dass Mama ununterbrochen redete, Daniel gelegentliche Aufmerksamkeitsgeräusche einstreute, ohne jedoch auch nur ein einziges Wort von dem aufzunehmen, was Mama von sich gab, während Papa und ich uns mit Gestik und Mimik unterhielten.
    An diesem Abend im ›eat meat‹ nahm Papa diese Form der Unterhaltung wieder auf. Mit einer fast unmerklichen Kopfbewegung und einer hochgezogenen Augenbraue deutete er auf PS: Wie ist er?
    Ich legte den Kopf leicht schief und lächelte: Er ist toll!
    Papa tippte sich mit der rechten Hand auf die linke Brust: Bist du verknallt?
    Ich nickte.
    Papa machte eine Kopfbewegung von PS zu mir: Beruht das auf Gegenseitigkeit?
    Ich zuckte mit den Schultern, nickte dabei leicht mit dem Kopf und zog eine Grimasse: Keine Ahnung, glaube ja, bin aber nicht sicher, ach …
    Im weiteren Verlauf unseres Gespräches bekam ich heraus, dass Papa Mauro liebte, dass das auf

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