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Möhrchenprinz - Roman

Möhrchenprinz - Roman

Titel: Möhrchenprinz - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Gegenseitigkeit beruhte, er fragte mich, ob ich ihm böse sei, ich antwortete mit einem »kann sein«, das ihn sehr erschütterte, worauf ich spezifizierte, dass ich sauer sei, dass er mir nichts gesagt hatte und er mir bedeutete, er hätte es mir ja sagen wollen, aber an dem Abend sei ich nicht da gewesen. Ich sah, wie Mauro und mein Vater sich gelegentliche Blicke zuwarfen und korrigierte meine Aussage: Nein, ich war ihm nichtböse. Aber verwirrt. Daraufhin machte Papa eine derart auffällige Grimasse, die »verwirrt bin ich auch!« bedeutete, dass sogar PS aufmerksam wurde. Papa täuschte einen Hustenanfall vor, ich verkniff mir ein Grinsen und beugte mich vor, um ihm auf den Rücken zu klopfen, und als endlich das Dessert serviert wurde, zwinkerten Papa und ich einander konspirativ zu. Ich fühlte mich glücklich und unbeschwert und verputzte das Zitronensorbet mit Basilikum und den anschließenden Espresso im Bewusstsein, dass dieser Abend rundum gelungen war.
    Diese Euphorie hielt an, bis PS und ich vor die Tür traten, um nach Hause zu fahren.
    An eine Heimfahrt war gar nicht zu denken, denn die Straße vor dem Restaurant wurde von einem riesigen Sattelschlepper verstopft. Auf dem Auflieger befanden sich vier Baumstämme von über zehn Metern Länge. Jeder Baumstamm hatte einen Durchmesser von mehr als einem Meter.
    Der Sattelzug hatte sich nicht verfahren. Er war absichtlich in die enge Straße manövriert worden. Das musste jedem Betrachter klar sein, der des Lesens mächtig war, denn über die Baumstämme war eine Plane gelegt, auf der stand: »Jedes Steak vernichtet so viel Regenwald«.
    Ich kannte nur einen Menschen in Düsseldorf, der aktuell einen Feldzug gegen alles führte, was nicht nachhaltig war. Und nur einen, der es sich leisten konnte, mal eben einen Sattelschlepper mit ein paar Tonnen Holz zu chartern, um pünktlich zur Presse-Preview die Straße vor einem Restaurant mit fleischlastiger Speisekarte zu verstopfen.
    Daniel.
    Er selbst war nicht zu sehen, was mich unendlich erleichterte. Es hätte mir wahrlich keinen Spaß gemacht, meinem Chef nach dem schwulen Vater gleich das nächste Familienmitglied vorzustellen. Und noch weniger hätte es michamüsiert, dass eine verdammt clevere Journalistin, die den Namen Tutz heute Abend bereits ein Mal zu oft gehört hatte, gleich einem weiteren Vertreter dieses Clans begegnete.
    Bettina Haltermann war es dann auch, die aussprach, was wohl alle Gäste dachten, die nach und nach vor der Restauranttür erschienen: »Ich glaube, ich spinne.« Was sie nicht daran hinderte, eine Digitalkamera aus der Tasche zu ziehen, zwanzig Fotos von dem Sattelschlepper und dem Banner zu machen und die vor dem Restaurant herumstehenden Gäste zu fragen, was sie dazu sagten.
    Ich hatte nur Augen für meinen Vater, der neben Mauro vor die Tür getreten war und nun mit Tränen in den Augen auf die Baumstämme starrte. Ich ging zu ihm.
    »Papa, es sieht schlimmer aus, als es ist«, flüsterte ich. »Die Werbung, die euch diese Aktion bringt, wird Gold wert sein, glaub mir.«
    »Wer tut uns nur so etwas an?«, jammerte Mauro.
    Papa und ich tauschten einen panischen Blick, dann ergriff PS meine Hand und zog mich weg von den zwei Häuflein Elend und in Richtung Luegallee.
    »Diese verdammten Gemüsefresser«, knurrte er unterwegs. An der Luegallee rief er ein Taxi und brachte mich nach Hause. Leider fiel die von mir so heiß ersehnte Verabschiedung mit Kuss und guten Wünschen für süße Träume heute aus – PS sprach kein Wort mehr, bis der Wagen vor meiner Haustür hielt.
    »Morgen früh um acht in meinem Büro«, sagte er stattdessen.
    »Aber morgen ist Christi Himmelfahrt …«, wagte ich einzuwenden.
    »Um acht!«, wiederholte er.
    Es klang wie eine Drohung.

16
    Hätte ich gewusst, dass ich am nächsten Morgen arbeiten musste, hätte ich nicht so viel getrunken. Okay, ein Glas Champagner und zwei Gläser Wein waren nicht allzu viel, aber in Verbindung mit dem fleischlastigen Essen führte der Alkohol dazu, dass ich am nächsten Morgen fast verschlafen hätte. Und das nach einer Nacht, in der ich mich stundenlang schlaflos hin und her gewälzt hatte.
    Warum suchte Daniel sich seine Aktionen immer so aus, dass seine eigenen Familienmitglieder zu Schaden kamen? Es gab doch tausend lohnende Ziele auf der Welt, die sowohl mir als auch meinem Vater egal gewesen wären. Warum demonstrierte Daniel nicht vor den Fischrestaurants im Medienhafen gegen die Ausbeutung der Meere? Oder

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