Möhrchenprinz - Roman
würden wir unser spontanes Arbeitstreffen jetzt hoffentlich beenden. Ich sehnte mich nach einer Dusche, einem großen, gemischten Salat und einem ruhigen Nachmittag in der trüben Sonne. Vielleicht würde ich am Rhein spazieren gehen oder Fahrrad …
»Es wäre gut, wenn du hierbleiben würdest, für den Fall, dass Anfragen von der Presse wegen gestern Abend kommen«, sagte PS, als er aufstand und sein Jackett von der Stuhllehne zog. »Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann.«
Er strich mir leicht über die Wange, zwinkerte mir zu und ging.
Ich saß da wie vom Donner gerührt. Wie bitte? Ich sollte meinen Feiertag im Büro verbringen für den Fall, dass eventuell irgendjemand anrief? Warum sollte ein Journalist hier anrufen? Erstens wussten die Journalisten genau, dass heute ein Feiertag war, an dem ein normales, deutsches Unternehmen geschlossen hatte. Zweitens hatte die Demo gestern Abend vor einem Restaurant stattgefunden – und nicht vor unserer Kühlhalle. Wir waren, soweit ich wusste, noch nicht einmal Lieferant von ›eat meat‹. Es gab nun also wirklich keinen einzigen triftigen Grund für mich, hierzubleiben.
Trotzdem traute ich mich nicht, einfach zu gehen. Vielleicht rief PS später noch einmal an. Vielleicht rief doch noch ein Journalist an. Vielleicht …
Mitten in meine Überlegungen hinein klingelte mein Handy.
»Wo steckst du?«, fragte Daniel ohne Begrüßung.
»Im Büro.«
Er stockte, dann lachte er lauthals los. Ich hielt den Hörer vom Ohr weg.
»Das ist deine Schuld«, schob ich hinterher, als er sich wieder beruhigt hatte.
»Komm nach Hause, es gibt ein Feiertagsfrühstück. In einer halben Stunde, Sweetie, sonst wird es kalt.«
Ich hatte immer noch eine Mordswut auf Daniel, aber gleichzeitig erinnerten mich sein Lachen und seine fröhliche Aufforderung daran, dass er doch eigentlich ein sehr liebenswerter Mensch und dies hier mein gesetzlich verbriefter Feiertag war. Und wenn Daniel gute Laune hatte, dann würde das Frühstück unterhaltsam bis genial, denn weder er noch ich konnten wirklich lange nachtragend sein. Ich packte hastig meinen Kram zusammen und rief ein Taxi. Ich wusste zwar nicht, welcher Art ein warmes, veganes Frühstück wohl sein mochte, aber je schneller ich zu Hause war, desto schneller würde ich eine Antwort auf meine Frage kriegen.
Ich hörte Daniels Stimme bereits im Flur, wo ich die hohen Schuhe auszog und meine Tasche abstellte.
»… und dann musste der arme Fahrer ins Röhrchen pusten und, nachdem das Ergebnis negativ war, musste er zur Blutabnahme und …«
»Und dir war der Spaß so viel Geld wert, dass du ihm den ganzen Ärger bezahlst?«, fragte ich.
Daniel wandte mir sein breitestes Grinsen zu. »Und dir ist ein gutes Frühstück sogar ein Taxi wert.«
Wir grinsten uns über den abgefressenen Frühstückstisch hinweg an, obwohl ich ihm eigentlich am liebsten immer noch böse sein wollte. Aber es ging einfach nicht. Die Marmeladenreste reichten ihm bis fast an die Ohren und seineBegeisterung war mitreißend. Obwohl – nein, so weit, mich von seiner Begeisterung anstecken zu lassen, ging die Liebe dann doch nicht.
»Was hast du denn heute im Büro gemacht?«, fragte meine Mutter mit einem vorwurfsvollen Unterton. Sie thronte am Kopfende unseres Küchentisches und wischte sich gerade mit einer Serviette die Mundwinkel ab. Vorsichtig, damit der Lippenstift nicht verschmierte. Meine Mutter mit Lippenstift! Beim Frühstück!
»Ich musste ins Büro, weil mein bescheuerter Bruder Daniel mal wieder gegen meinen Arbeitgeber demonstriert hat«, sagte ich etwas zickiger als geplant. Dabei lag meine Gereiztheit nicht nur an Daniels Aktion, sondern auch an dem Vorwurf im Ton meiner Mutter. Immerhin war sie diejenige, die mich heute Morgen nicht in mein eigenes Bad gelassen hatte.
»Ts, ts, ts«, machte Daniel. »Dass du aber auch immer alles persönlich nehmen musst. Die Demo richtete sich gegen dieses neue Restaurant mit dem bezeichnenden Namen ›eat meat‹. Dass ihr zwei Großimporteure da wart, habe ich erst hinterher erfahren.«
»Und Papa?«, fragte ich, wusste aber im gleichen Moment, dass es ein Fehler gewesen war.
Mama stockte, blinzelte und fragte mit zitternder Stimme, was Papa damit zu tun hätte. Mist!
»Wie war das mit dem warmen Essen?«, fragte ich zerknirscht.
»Lenk jetzt nicht ab, Leonie«, maßregelte meine Mutter.
Daniel stand auf und machte sich an der Pfanne zu schaffen. Spiegeleier mit Speck wären jetzt der
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