Mönchsgesang
mit dem anderen zu tun?«
»Immerhin kam ein Mensch bei diesem Brand ums Leben.«
»Das stimmt. Der Stallbursche Odo – Gott hab ihn selig! – fand durch seine Unachtsamkeit den Tod. Wahrscheinlich war er betrunken.«
»Zwei Tote also innerhalb einer Woche.«
»Ja. Requiem aeternam dona eis Domine!«
»Wie?«
Bruder Notker verzog verächtlich einen Mundwinkel. »Unser Pater Prior bat den Herrgott, den Toten die ewige Ruhe zu geben, Herr Mathäus.«
»Ach so. Ja, ja. Und das ewige Licht leuchte ihnen.«
Anselm fuhr fort. »Lass sie ruhen in Frieden!«
»Amen!«, war die allseitige Antwort.
»Zwei Tote also innerhalb einer Woche«, griff Mathäus seinen Faden unbeirrt wieder auf, »und das in einer kleinen Priorei wie der Euren. Haltet Ihr das nicht für erwähnenswert?«
Der Dorfherr bemerkte die Verzweiflung im Blick des Priors. Bruder Notkers ungehaltener Zwischenruf enthob ihn vorläufig von einer Antwort.
»Was wollt Ihr dem Prior damit eigentlich unterstellen, Dorfherr?«
Auch Walrafs Glatzkopf stülpte sich nach vorne. »Unverschämtheit!«, zischte er.
Anselm hob beschwichtigend die Hände. »Lasst ihn, Brüder. Bitte, lasst ihn nur fragen.« Er strich nachdenklich durch seinen Bart und sah den Dorfherrn dann offen an. »Wisst Ihr, Herr Mathäus, ich habe eine Vision«, hub er an. »Eine Vision vom Ende der Welt. Und manchmal glaube ich, dass dieses Ende nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Die Menschheit wird immer schlechter. Der Teufel schickt seine Boten voraus, um bis zum Tag des Jüngsten Gerichts viele schwarze Seelen zu sammeln. Und der Schwarze Tod ist sein grausiger Begleiter. Habt Ihr gehört, wie diese Seuche bereits in Aachen wütet? Menschen sterben dort wie Fliegen!«
Mathäus schauderte. Noch vor wenigen Wochen war er mit seinem Freund Heinrich in der alten Kaiserstadt gewesen. Er musste an seine Mutter denken.
Der Prior versuchte ein Lächeln. »Ich lebe in der ständigen Angst, die unsichtbaren Boten des Bösen könnten Einkehr in diese Mauern halten. Vielleicht habe ich Euch den Brand nur deshalb verschwiegen, weil ich das alles im Innersten nicht wahrhaben will. Glaubt mir, es steckte keine böswillige Absicht dahinter.«
Die Mönche senkten betreten ihre Köpfe.
Mathäus nickte. »Ich verstehe«, sagte er leise. »Aber einen erkennbaren Zusammenhang zwischen Adams und Odos Tod, der sich auf natürliche Weise erklären ließe, seht Ihr nicht?«
»Beim besten Willen, nein.«
»Gut. Dann lasst mich eine weitere Frage stellen.« Er blickte in die Runde. »Norbert von Kerpen behauptet, Bruder Adam habe in seinen letzten Tagen eine Wesensveränderung erfahren. Er sei mit einem Male regelrecht freundlich gewesen, milde, eben nicht mehr von dieser düsteren Strenge. Könnt Ihr dem zustimmen?«
Es war Engelbert, der nun das Wort ergriff. »In diesem Fall kann man Norbert von Kerpen nicht Unrecht geben«, antwortete er mit seiner dominierenden Stimme. »Bruder Adam schien in der Tat wie von einer schweren Last befreit.«
»Könnt Ihr Euch das erklären?« Mathäus' Blick suchte den des alten Gärtners.
»Ja«, erwiderte dieser. »Bruder Adam spürte wohl den Tod nahen. Er wollte alles Irdische hinter sich lassen, sich nur noch auf seine Begegnung mit dem Schöpfer vorbereiten.« Er hob die Schultern. »So jedenfalls versuche ich mir das zu erklären.«
Die anderen nickten stumm.
Mathäus schloss sich dem betretenen Schweigen an, bevor er sich schließlich an den Mönch wandte, der sich bis dahin mit noch keinem Wort an der Unterhaltung beteiligt hatte.
»Bruder Theodor!«
Der Angesprochene fuhr erschrocken zusammen. Mathäus glaubte, etwas wie Angst in seinen Zügen lesen zu können.
»Ja?« Theodors Stimme war schwach und fast zittrig. »Ihr seid der Bibliothekar dieses Konvents?«
Theodor nickte. Sein ohnehin blasses Gesicht war noch blasser geworden.
»Ihr wart also Bruder Adams Nachfolger in diesem Amt?«
Wieder nickte der junge Mönch.
»Dann möchte ich Euch eine Frage stellen, die Ihr keinesfalls missverstehen solltet. Betrachtet sie bitte als eine geläufige Frage in einem – Mordfall.« Mathäus bemerkte, dass die allgemeine Bedrückung durch sein letztes Wort noch eine Steigerung erfahren hatte. Aber welches Wort hätte er wohl sonst benutzen sollen? Für ihn stand nach wie vor fest: Bruder Adam war ermordet worden. Und vielleicht saß der Mörder sogar mit ihm hier am Tisch. »Bruder Theodor! Wie war Euer Verhältnis zu Eurem verstorbenen
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