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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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Mathäus ihnen auf die Sprünge. »Waren seine Anschauungen für Euer Empfinden nicht manchmal etwas zu hart und unerbittlich? War seine Strenge gegen sich selbst und andere nicht manchmal unerträglich?«
    Der Prior lächelte schwach. »Mit wem habt Ihr gesprochen? Mit Norbert von Kerpen?«
    Mathäus nickte. Er hörte die Verachtung in der Stimme des Priors, als er den Namen des Ritters aussprach.
    »Dann müsst Ihr ja jetzt die Wahrheit wissen«, meinte Anselm ironisch.
    »Norbert gab zu, Adam nicht gemocht zu haben. Die beiden waren wie Katze und Hund.«
    »Dann wird er Euch ja sicherlich auch von dem Streit erzählt haben, den er neulich mit Adam hatte«, sagte Anselm fast triumphierend.
    »Streit? Ich dachte, die beiden hätten in einem ewigen Streit gelegen.«
    »Nein, nein.« Anselm winkte ab. »Nicht das Übliche. Die beiden wären sich neulich fast an den Hals gegangen, hätten wir sie nicht auseinander gehalten.«
    »Wann war das?«
    »Vor zehn, zwölf Tagen vielleicht.«
    »Worum ging es?«
    »Norbert hatte wieder einmal eine Dirne bei sich. Adam fand den Gedanken unerträglich, dass die Sünde Einkehr in unsere Mauern hielt.« Der Prior seufzte. »Aber was sollte ich machen? Unser Konvent ist Norberts Familie sehr verbunden.«
    »Jedenfalls hat Adam den Kerpener mit ein paar deftigen Flüchen bedacht«, meldete sich nun Notker zu Wort und setzte eine wichtige Miene auf. »Mit Flüchen, deren Wortlaut ich ungern wiedergeben möchte.«
    Engelbert faltete bedächtig die Hände. »Aber es stimmt. Bruder Adam war in der Tat hart gegen sich und andere.«
    »Das waren viele Heilige auch«, sagte der Prior.
    Mathäus schürzte die Lippen. »Und was war mit der Lilie?«, fragte er, das Thema abrupt wechselnd. »Wem hat er von der Lilie erzählt?«
    »Mir!« Bruder Edmond, der alte Gärtner, hob eine erstaunlich kräftige Hand. »Er fand sie nachts, als er für sich beten wollte, vor seinem Betstuhl.«
    »War er daraufhin verzweifelt?«
    Edmond verneinte. Seine traurigen Augen verweilten in der Ferne. »Im Gegenteil. Bruder Adam schien glücklich zu sein, dass seine Tage auf Erden gezählt waren. Und dankbar darüber, dass Gott ihm ein Zeichen gesetzt hat. Er wollte nicht unvorbereitet vor seinem Schöpfer erscheinen.«
    »Verstandet Ihr Euch gut mit dem Verstorbenen, Bruder Edmond?«
    »Es ist unsere Pflicht, sich mit seinen Mitmenschen zu verstehen, lieber Dorfherr. Mit Adam allerdings verknüpfte mich ein besonderes Band. Wir waren beide noch vom alten Schlag. Ich kannte ihn seit vielen Jahrzehnten, seit unserem gemeinsamen Noviziat in Lüttich.« Erstmals senkte sich der Hauch eines Lächelns über sein wettergegerbtes Gesicht. »Ich war mit seinen Eigenheiten eben am längsten vertraut.«
    »Dann muss sein Tod Euch besonders nahe gegangen sein«, sagte Mathäus mitfühlend. Er sah in die Runde. »Gestattet mir die Frage: Glaubt ihr, verehrte Brüder, dass die weiße Lilie tatsächlich eine Botschaft aus dem Jenseits war?«
    Das Schweigen der Mönche war ihm Antwort genug. Nur Edmond suchte verzweifelt nach Worten. Offenbar war er nicht bereit, den Glauben an ein Mysterium so schnell aufzugeben. »Wenn aber … wenn aber der Herr in Seiner Allmacht nun beschlossen hatte …« Er verstummte, als er die sanfte Geste seines Priors sah.
    »Bruder Adam war der Sakristan!« Mathäus stellte die Behauptung in den Raum, bevor er fortfuhr: »Wer, außer ihm, besaß einen Schlüsselbund für die Klosterkirche?«
    »Ich«, sagte der Prior.
    »Niemand sonst?«
    »Niemand sonst!«
    »Wie viele Schlüssel besitzt dieser Schlüsselbund?«
    »Drei. Einen für den Durchgang zum Kreuzgang, einen weiteren für das Hauptportal, und einen für die Sakristei.«
    »Habt Ihr eine Erklärung dafür, wie die Lilie auf den Platz des Ermordeten gelangen konnte?«
    »Nein, die habe ich nicht.«
    Mathäus kratzte verlegen seine Wange. »Ich hoffe, Ihr habt Verständnis, dass ich Euch solcherlei Fragen stellen muss, Pater Prior.«
    »Macht Euch keine Sorgen. Ich war es ja, der Euch rufen ließ. Ihr tut nur Eure Pflicht.«
    »Gut.« Der Dorfherr holte unmerklich Luft, bevor er weitersprach. »Dann habt Ihr vielleicht auch Verständnis für meine Verwunderung, dass Ihr mir den Brand der Scheune verschwiegen habt.«
    Mathäus entging nicht, wie der Prior kurz zusammenzuckte. »Ich habe Euch nichts davon berichtet?«, fragte er ungläubig.
    Der Dorfherr schüttelte den Kopf.
    »Nun gut.« Der Mönch hob seine Schultern. »Was hat das eine auch

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