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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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befreit hatte. Maria nickte nach jedem Satz wie zur Bestätigung und ließ ihre Zunge diesmal drinnen.
    Dreyling spürte, wie eine eiserne Faust nach seinem Herzen griff. Er war hierher gekommen, um auf den Putz zu hauen, um deutliche Fronten abzustecken, klare Tatsachen zu schaffen. Er war der festen Überzeugung gewesen, dass man Mathäus zu seinem Glück zwingen musste. Und dieses Glück konnte er unmöglich in einem vertrottelten Dorf finden, mit einem Bauernmädchen an seiner Seite. Doch nun sah er seine Pläne wie in einem reißenden Strom davonschwimmen. Die Leute, denen er gegenübersaß, waren die freundlichsten, die herzlichsten, die ehrlichsten, die er seit langer Zeit getroffen hatte. Und eine bezauberndere Frau wie Jutta würde Mathäus schwerlich finden, selbst wenn er die halbe Welt durchwanderte.
    Er unterdrückte einen Seufzer und erhob sich von seinem Schemel. »Bitte entschuldigt mich jetzt«, sagte er mit vorgetäuschtem Frohsinn, »ich werde mich nun wieder auf den Weg machen.«
    »Was, Ihr wollt schon weg?«, protestierte Heilwig.
    »Ja. Danke für die Milch.«
    Man begleitete ihn nach draußen. Die Bäuerin beschwor ihn, sie bald wieder zu besuchen, was er mit ein paar unverbindlichen Worten beantwortete. Er schwang sich auf seine alte Mähre und ritt mit einem stummen Gruß davon.
    Unterwegs befiel ihn ein zerfressendes Gefühl der Wut. Diese Wut richtete sich vor allem gegen sich selbst. Sein Weltbild war durch einen belanglosen Besuch bei ein paar einfachen Bauersleuten ins Wanken geraten. Über den gottverlassenen Dörfern der so genannten Herrschaft schien ein Fluch zu liegen. Kein Wunder, dass auch sein Sohn diesem erlegen war. Alles war so verzwickt. Wie war das alles bloß wieder ins Lot zu bringen?
    Richmond Dreyling konnte nicht ahnen, dass in der Zwischenzeit in der Kapelle von Burg Merode etwas geschehen war, das ihm das Wiedersehen mit seinem verfluchten Sohn noch an diesem Vormittag ermöglichen sollte.

12
    M athäus stapfte seit zwei Stunden grübelnd durch seine Kammer, als Reiner, der Novize, an die Tür pochte.
    »Der Prior schickt mich, Herr.« In seinen Händen trug er ein Tablett mit einem kleinen Laib Brot und etwas Milch.
    Mathäus deutete auf den Tisch. »Danke. Stell's nur dorthin.« Die Schüssel mit den Pilzen hatte er inzwischen verschwinden lassen.
    »Und sag dem Prior, dass ich Bruder Walraf im Krankensaal einen Besuch abstatten möchte.«
    Reiner zupfte an seiner Nase. »Bruder Walraf ist nicht mehr der einzige Patient, Herr«, erklärte er zögerlich.
    »Was soll das heißen?«
    »Bruder Notker und Karsil bekamen ebenfalls plötzlich heftige Leibschmerzen. Bruder Edmond flößte ihnen schnellstens ein Brechmittel ein, und nun leisten sie Bruder Walraf im Krankensaal Gesellschaft.«
    Mathäus machte ein resignierendes Geräusch und murmelte einen Fluch. »Sei's drum. Dann werde ich sie alle drei besuchen.«
    Reiner deutete eine Verbeugung an und wollte sich entfernen.
    »Warte, Reiner.«
    Der Novize sah fragend über die Schulter.
    »Hattest du keine Leibschmerzen?«
    »Nein, Herr.«
    »Und die anderen? Der Pater Prior, Bruder Engelbert und Bruder Edmond?«
    »Sie scheinen alle verschont worden zu sein.«
    Mathäus nickte. Mit einer Handbewegung entließ er den Novizen. Sein Blick fiel auf das Frühstück, das der angehende Ordensbruder ihm gebracht hatte. Nein, er würde nichts davon anrühren, obwohl sein Magen knurrte wie ein wütender Köter. Er verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und schritt zum Fenster, betrachtete nachdenklich die Regentropfen, die an der Fensterscheibe herunterrannen. Eine Weile verharrte er so. Als die Brandwunde an seinem Unterarm wieder zu pochen begann, atmete er tief durch und verließ entschlossen seine Kammer.
    Der saure Geruch von Erbrochenem kroch unerquicklich in seine Nase, als er den Krankensaal betrat. Die drei Patienten lagen in ihren Betten, nebeneinander aufgereiht vor einer weiß verkalkten Wand, an der ein mächtiges Holzkreuz hing. Sie schienen in einen sanften Schlummer versunken, doch ihre Gesichter waren bleich und wirkten ausgezehrt. Auf einem Stuhl etwas abseits davon saß der alte Edmond, den ebenfalls der Schlaf heimgesucht hatte. Er hatte die Hände in die Ärmel seiner Kutte geschoben, während sein Kopf wie leblos nach vorne hing und eine von einem weißen Haarring umrandete Tonsur offenbarte. Wahrscheinlich hatte der Gärtner den Rest der unheilvollen Nacht neben seinen hilfsbedürftigen

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