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Mönchsgesang

Mönchsgesang

Titel: Mönchsgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Krieger
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einmal üppig vor Augen geführt worden. Bewunderung und Abscheu mischten sich auf seltsame Weise in sein Gemüt. Nur gut, dass er Jutta, seine Geliebte, nicht überredet hatte, ihn ins ›Carolus Magnus‹ zu begleiten. Geschichten über Gewalt und Krieg waren nichts für zart besaitete Frauen, und erst recht nicht für ein solch himmlisches Wesen, wie Jutta es war.
    Er machte sich auf den Heimweg. Am Dorfbach balgten sich zwei fette Ratten.
    »Und schon wieder Gewalt«, seufzte der Dorfherr, dem das Ende der Nibelungen noch immer in den Ohren hallte. Er fragte sich, was wohl sein Freund Heinrich zu dieser Ballade über Treue, Hass, Not und Tod gesagt hätte. Aber Heinrich war in der vergangenen Woche weitergezogen, hatte sich wieder auf den Weg gemacht, um die seltsame Sühne, die er sich selbst auferlegt hatte, fortzusetzen. Die Heilung seiner Schulterwunde, die ihm ein Strauchdieb vor einigen Wochen verpasst hatte, war nur langsam vorangeschritten, doch dank Juttas aufopfernder Pflege und dank der Heilkräuter der alten Sibylle war er endlich wieder zu Kräften gekommen.
    Mathäus seufzte leise. Er musste an die kleine Maria denken, die sich bei Heinrichs Aufbruch wie eine Klette an seine Jacke geheftet und bitterlich geschluchzt hatte. Mit ihrem harten, aber immer besser werdenden Deutsch hatte sie den geliebten ›Onkel Hein‹ zum Bleiben aufgefordert. Auch Heinrich war der Abschied sichtlich schwer gefallen. Zu sehr hatte er die kleine Zigeunerin inzwischen in sein Herz geschlossen. Schließlich aber hatte er sich abrupt umgedreht, sich auf sein Pferd geschwungen und war davongeritten. Und Chlodwig, dieses große schwarze Mondkalb, war ihm bellend gefolgt. Noch lange hatten Mathäus, Jutta und die unglückliche Maria der Staubwolke hinterhergeblickt.
    Mathäus hatte sein Häuschen fast erreicht und stutzte, als er Licht darin erblickte. Seine Hand fuhr unwillkürlich zum Dolch an seinem Gürtel. Erst jetzt sah er das schwarze Pferd, das geduldig auf der Straße wartete. Im ersten Moment glaubte er, es sei Heinrichs Pferd, doch dies erwies sich beim näheren Hinsehen als irrig. Es war eine alte, klapprige Stute, die da den lehmigen Boden nach ein paar Grasbüscheln absuchte, und Mathäus bemühte verzweifelt sein Gedächtnis, wo er dieses Tier schon einmal gesehen hatte. Allmählich schwante ihm etwas.
    »Das … das kann nicht sein«, stammelte er und stürzte durch die Tür.
    Am Tisch in der Mitte der Stube saß mit gebeugtem Kopf eine große Gestalt. Nur langsam hob sie den Kopf. Endlich wurde im fahlen Licht der Kerze das Gesicht des Mannes sichtbar. Er mochte bereits mehr als ein halbes Jahrhundert hinter sich gebracht haben; ein silbergrauer, sorgsam gestutzter Bart konnte die kantigen Konturen des Gesichts nicht verbergen. Seine stahlblauen Augen blickten den Dorfherrn mit einer eigenartigen Mischung aus Freude und Vorwurf an. Seine Hände lagen gefaltet auf dem Tisch, die Daumen zu einem Spitzdach geformt. Mathäus' Mund stand sperrangelweit offen. »Vater!«, hauchte er schließlich.
    »Junge!« Die Stimme des anderen war ruhig und sachlich. Mathäus unterdrückte den Impuls, seinem alten Herrn in die Arme zu fallen. Hilflos fuchtelte er mit seinen Händen. »Du … du kommst mich besuchen?«, hauchte er, um ein Lächeln bemüht.
    »Spricht etwas dagegen?« Noch immer war in des Vaters Stimme keine Spur von Wiedersehensfreude wahrzunehmen.
    »Natürlich nicht, Vater. Aber … warum hast du Mutter nicht mitgebracht?«
    Der Alte schlug die Augen nieder. Wie abwesend starrte er auf seine gefalteten Hände. Noch bevor er etwas sagte, kannte Mathäus die Antwort.
    »Sie ist tot, Junge!«
    Mathäus taumelte zum Tisch und ließ sich auf einen Hocker fallen. Er saß dem Vater nun direkt gegenüber, doch niemand sprach ein weiteres Wort. Mathäus verspürte den Drang zu weinen, doch eine unendliche Leere, die sich in ihm ausbreitete, hinderte ihn daran. Unter schweren Atemzügen schloss er die Augen und vergrub seinen Kopf. Erst nach einer halben Ewigkeit richtete sich sein freudloser Blick wieder auf den Vater.
    »Wann?«, fragte er nur.
    »In der vergangenen Woche.«
    »War sie krank?«
    Der Vater zögerte einen Augenblick. »Sie war ein Opfer der schwarzen Pest«, sagte er schließlich.
    Mathäus' Augen weiteten sich. »Der schwarzen Pest?« Er schluckte. »Ist sie denn schon bis Jülich vorgedrungen?«
    »Offensichtlich«, brummte der Vater. »Aber bevor du fragst: Ich bin nicht infiziert. Die Symptome

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