Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
August-Bebel-Straße belegt. Momentan waren vier von ihnen anzutreffen, die Barbara und Uplegger nach direkten Gesprächen jedoch allesamt ausschließen konnten, unter ihnen Myriam. Sie sprachen mit weiteren Studenten und kamen zu dem Schluss, dass es mühsam werden könnte, die weiteren neun Miriams zu finden: Sie konnten bei einer Vorlesung im Anatomie-Hörsaal sein, der aus Platzmangel auch von anderen Fachbereichen genutzt wurde, oder auf dem Uni-Campus in der Ulmenstraße, beim Brunch oder im Bett.
»Wir spannen auf jeden Fall Ann-Kathrin und den Lorbass mit vor den Karren«, meinte Barbara, als sie wieder mit dem Lift fuhren, diesmal abwärts. »Ich hätte heute Abend gern Gewissheit, ob ein Verbrechen vorliegt oder nicht.«
»Vielleicht haben Sie recht«, meinte Uplegger, »und dieser Film ist tatsächlich gefaked.«
»Schreiben Sie das mit d oder mit t am Ende?«
»Bitte?«
»Na, gefaked? D oder t? Im Englischen dürfte es ja wohl faked heißen …?«
»Tja«, Uplegger setzte ein übertrieben breites Lächeln auf, »man müsste ein Smartphone haben.« Er zog seines aus der Manteltasche. »Und dann googelt man einfach drauflos …«
» Googelt mit t oder d?«
»Ach, hören Sie doch auf!« Der Lift kam zum Stillstand, die Tür öffnete sich. »Gefaked mit d wie Dora. Googelt mit t.«
»Wie inkonsequent.« Barbara verließ als Erste den Fahrstuhl und begab sich zum Ausgang. Draußen ging gerade ein fürchterlicher Regen nieder, der fast schon einer Sintflut glich.
»Heute ist der 15. Oktober«, sagte sie.
Uplegger, der sein Smartphone noch in der Hand hielt, fragte: »Soll ich vielleicht für Sie googeln, wer heute Geburtstag hat?«
»Nicht nötig«, erwiderte sie. »Ich lese bekanntlich die Ostsee Zeitung und weiß daher, wer mit diesen Sturzbächen Zeugnis von ihrer Geburt ablegt: die Sturmflutsaison.«
***
Am Nachmittag waren alle Studentinnen überprüft, bis auf eine: Miriam Kleinert war 23 Jahre alt, studierte sowohl Bildungs- als auch Kommunikationswissenschaften und wohnte bei ihren Eltern in Elmenhorst. Und das bedeutete, dass sie mit dem Fahrrad in 15 Minuten die Ostseeküste erreichen konnte, 15 plus minus.
Seit dem Vormittag regnete es, und in der Polizeiruine hatten sich wie üblich diverse Pfützen gebildet, die meisten in der Nähe von Fenstern: auf den Fensterbrettern, aber auch auf dem verschlissenen Bodenbelag davor. Im Arbeitszimmer von Barbara und Uplegger roch es muffig, wie in einem seit Jahren ungelüfteten Keller. Mit viel Chemie schien man den Schimmel unter Kontrolle halten zu können, allerdings wagte es niemand mehr, Schränke von den Wänden zu rücken.
Barbara hatte soeben mit der Mutter von Miriam Kleinert telefoniert und saß nun da, den Hörer in der Hand. Sie betrachtete Uplegger, der sich gerade zum Thema Verschleiern der IP-Adresse im Internet belas. Es gab wohl eine Menge Webseiten hierzu, denn er war bereits eine geschlagene Stunde damit beschäftigt.
»Na?«, fragte sie, wobei sie selbst einräumen musste, dass diese Frage sehr schwer zu beantworten war.
»Achtung, nochmals zur Erinnerung: Auch bei der Verwendung eines High-Anonymity-Proxy-Servers kann Ihre tatsächliche IP-Adresse zusätzlich zur Proxy-IP abgefragt werden, wenn Sie JAVA in Ihrem Browser aktiviert haben«, las er vor. »Mittels eines einfachen Javabefehls kann Ihr Browser selbst dann zum Senden der realen IP-Adresse veranlasst werden – drei Ausrufezeichen! Um dies zu vermeiden, deaktivieren Sie JAVA in den Sicherheitseinstellungen der Internetoptionen für die entsprechende Zone, z.B. Internet.«
Barbara rang theatralisch die Hände: »Ich verstehe das nicht – dreizehn Ausrufezeichen!«
»Von Verstehen kann bei mir auch keine Rede sein, eher von einer Ahnung«, räumte Uplegger ein. Dass er sich geradezu obsessiv mit dem Thema befasste, hatte einen ernsten Grund: Die IT-Spezialisten der Kantonspolizei Baselland hatten, sogar unter Hinzuziehung eines Computerfetischisten der Stadtbasler Kripo, den PC von Hagner unter die Lupe genommen, während Pentzien und seine Leute bei verschiedenen Providern versucht hatten, die Spuren von Miriam im Internet zu rekonstruieren. Die Schweizer standen, wie Oberleutnant Erni in einer Mail betont hatte, erst am Anfang, aber bisher sah es nicht nach einem Erfolg aus. Das galt auch für die Rostocker Kriminaltechnik. »Röslers Vortrag erweist sich womöglich als eine self fulfilling prophecy .«
»Stark, was Sie für Fremdworte draufhaben! Ich kann
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