Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
der Entdeckung der Landwirtschaft. Damit fing das Elend an. Soziale Distinktion … Es entstand eine Angeber- und Wichtigtuerkaste … aus Männern natürlich … Häuptlinge, Könige, Kaiser, Leiter von Departments und Mordkommissionen … Mann, Uplegger, was sind wir klug! Wir könnten direkt Vorlesungen in Bildungswissenschaft halten.«
»Die Studenten würden reihenweise aus dem Fenster stürzen«, murmelte Uplegger. Der Fahrkorb schwang sanft aus, es klingelte und die Tür ging auf.
»Sehen Sie! Was nicht mal die Stasi mit den Staatsfeinden gemacht hat, gelänge uns mit einer einzigen Vorlesung.«
Damit kein Irrtum aufkam, wo man sich befand, hatten die Bildungswissenschaftler ihre Verwaltungsetage mit einer Tafel geschmückt, die verriet, warum man nicht von Sektion oder Institut sprach, denn dort stand außer der deutschen Bezeichnung Department for Educational Science . Das war wie eine Steilvorlage für Barbara, aber seltsamerweise sagte sie nichts. Sie studierte beim Schlendern über den Gang die Schildchen neben jeder Tür und kam zu dem Schluss, dass es unter dem Dach des Departments mehrere Institute gab, ein Institut für Allgemeine Pädagogik und Sonderpädagogik, ein Institut für Schulpädagogik und vielleicht noch weitere, an anderen Orten untergebrachte. Vor einer Tür blieb sie abrupt stehen. Uplegger wäre fast gegen sie gelaufen.
Barbara deutete auf das Schild: Institut für Allgemeine Pädagogik und Sonderpädagogik, Didaktik im Sonderschulbereich, war dort zu lesen, Dr. Johannes Holzschuh, Dr. Miriam Bach.
»Wenn unsere Miriam ihre Daten bei Fakebook nicht sehr sorgfältig pflegt, ist sie vielleicht bereits Absolventin oder Doktorandin oder Dozentin oder was weiß ich«, meinte sie.
»Fakebook, das ist hübsch«, sagte Uplegger. »Dass jemand das Ende seines Studiums oder gar einen Aufstieg in sein Profil zu schreiben vergisst, kann ich mir kaum vorstellen …«
»Versuch macht klug.« Barbara klopfte. Eine der Stimme nach weibliche Person bat sie herein, also riss sie die Tür auf und schmetterte ins Zimmer: »Frau Dr. Bach, leben Sie noch?«
Uplegger wurde rot vor Scham. Auch wenn seine Kollegin nicht mehr trank, war ihre Nähe häufig peinlich.
Frau Dr. Bach hielt den Unkenruf für einen schlechten Scherz, aber nachdem sich Barbara erklärt hatte, nahm sie ihn mit Humor. Sie bat die beiden Kriminalbeamten in ihr nicht gerade großes Dienstzimmer, wo sie an einem mit Papieren überhäuften Schreibtisch saß, während der ihres abwesenden Kollegen aufgeräumt und fast leer war. Aus dem Fenster sah man in die andere Richtung über Dächer, und wieder wurde Barbara enttäuscht, denn die Warnow konnte sie nicht ausmachen. Man ahnte bloß die östlichen Neubaugebiete und dann freies Land. Die Wolken waren noch dunkler geworden, sie schienen auch tiefer zu hängen, und anscheinend nieselte es.
Die Didaktikdozentin sah vollkommen anders aus als die Miriam des 8-Sekunden-Films, und sie kannte keine Studentin, die ihren Vornamen trug. Als Uplegger sie aus allgemeinem Interesse nach dem Namen der Sektion fragte, erklärte sie, dass im Jahr 2010 die damalige Landesregierung, die ja fast die heutige sei, die Universität aufgefordert hatte, die erziehungswissenschaftlichen Institute zusammenzulegen.
Barbara sprang darauf sofort an: »Sie meinen eine Reform?«
Dr. Bach machte eine abwägende Kopfbewegung. »Ja, auch wenn keiner dieses Wort benutzte …«
»Eine Reform, die mit Verschlankung der Strukturen, mit besserer Zusammenarbeit, kürzeren Entscheidungswegen und Synergieeffekten begründet wurde?«
Dr. Bach nickte. »Woher wissen Sie das?«
»Weil uns die Polizeistrukturreform mit diesen Argumenten schmackhaft gemacht wurde. Die war übrigens 2011, und sie ist in Bausch und Bogen gescheitert. Und alle, die sich mit der Materie auskannten, haben gewusst, dass sie scheitern würde. Trifft das auch für Ihre Reform zu?«
»Ich würde gern indirekt antworten. Gibt es irgendeine von der Landesregierung angestoßene oder beschlossene Reform, die ein Erfolg war?«
Barbara grinste: »Vielen Dank für Ihre Offenheit.«
Frau Dr. Bach erwies sich obendrein als hilfsbereite Person, die Barbara und Uplegger nicht bloß ins Sekretariat begleitete, sondern die auch Kontakt zum Institut für Medienforschung aufnahm; dank ihrer Unterstützung hatte man innerhalb von einer Dreiviertelstunde dreizehn Miriams und eine Myriam auf der Liste. Sieben von ihnen hatten ein Haupt- oder Proseminar im Gebäude
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