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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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Zeuge.«
    »Aha?« Besenbinder öffnete die Tür um weitere zehn Zentimeter. Er trug einen Morgenmantel aus blau-silbernem Brokat-Imitat und darunter, kaum sichtbar, einen karierten Schlafanzug. Seine bloßen Füße steckten in Lederschlappen. Miezi hockte etwa einen Meter hinter ihm mit gesträubtem Fell auf einer Kommode und brummte.
    Der Lorbass sagte: »Wir müssen das nicht unbedingt zwischen Tür und Angel besprechen.«
    »Natürlich nicht.« Besenbinder gab der Tür einen Stoß, woraufhin diese aufschwang. Er war sehr schlank, hatte helles, kurz geschnittenes Haar, tiefe Geheimratsecken, und ein goldenes Kettchen zierte seinen Hals. Die Haut unter dem Schmuck war extrem faltig, geradezu greisenhaft. Und als Uplegger auf Besenbinders Hände schaute, entdeckte er große Altersflecken.
    Die Kripobeamten wurden ins Wohnzimmer geführt, das von einer Couchgarnitur aus hellbraunem Leder beherrscht wurde, ein Sofa und zwei klotzige Sessel, gruppiert um einen Rauchglastisch. Gerahmte Schwarzweißfotografien an den Wänden zeigten unbekleidete Jünglinge in Räkelposen, allerdings waren es züchtige Aufnahmen, da sie beim Nabel endeten. Eine Anbauwand aus DDR-Produktion, ein moderner TV-Tisch mit einem riesigen Plasmafernseher sowie ein bordeauxroter Teppichboden vervollständigten das Ambiente.
    Besenbinder fragte, ob man Kaffee wolle: Lutze nickte. Uplegger trat zum Fenster und stellte fest, dass die Aussicht vom gegenüberliegenden Hochhaus beherrscht wurde. Rechts war ein Stück vom Lütten Kleiner Boulevard zu sehen, links ein Stück Rigaer Straße.
    Aus einem offenen Fenster lehnte ein rauchender Mann, der trotz Oktoberkühle nur ein Unterhemd trug. Uplegger kam er bekannt vor, also kniff er die Augen ein wenig zusammen und beugte sich vor, beides unwillkürliche Handlungen, denn besser sehen konnte er so nicht. Trotzdem erkannte er Dieter Erdvogel, mit dem er in einer früheren Ermittlung zu tun gehabt hatte und dessen Sohn Kai wegen Mehrfachmordes gerade vor Gericht stand; Uplegger hatte sogar eine Vorladung für einen Verhandlungstermin im November.
    »Was Interessantes zu sehen?«, wollte der Lorbass wissen.
    Uplegger schüttelte den Kopf. »Keine Blicke in Schlafzimmer …«
    Herr Besenbinder trug ein Tablett herein, auf dem sich eine Kaffeekanne, ein Milchkännchen, eine Zuckerdose und zwei Tassen aus weißem Porzellan befanden. Die Stücke waren mit einem silbernen Rand und einem chinesisch anmutenden Drachen versehen. Als Witwer einer kunstbeflissenen Werbedesignerin erkannte Uplegger: Art déco.
    »Das sieht ja hübsch aus«, meinte der Lorbass.
    Besenbinder lächelte geschmeichelt. »Es ist in der Tat echtes Meißener«, sagte er. »Das Kaffee-Set Ming-Drache , immerhin mit Platinrand. Zweieinhalbtausend Euro, aber für die Polizei ist mir nichts zu teuer.«
    Arm war er nicht, der Herr Doktor, und er zeigte wohl auch gern, was er sich leisten konnte, wobei er sich vor allem für Uplegger spreizte, der schon öfter von Schwulen angemacht worden war. Barbara, die ja zu allem eine Meinung hatte, nannte ihn deshalb, wenn sie ihn ärgern wollte, einen Männertyp oder – wohl eine ihrer Erfindungen – einen Manizer. Uplegger selbst fand, dass ihm eigentlich mehr die Frauen hinterher schauten …
    Besenbinder stellte das Tablett auf den Tisch. Uplegger schaute noch einmal nach draußen, aber Erdvogel war nicht mehr da. Dann nahm auch er in einem der Sesselungetüme Platz und eröffnete die Befragung.
    »Herr Doktor Besenbinder, wenn Sie erlauben, wie alt sind Sie eigentlich?«
    »Oh«, er machte eine äußerst gezierte Handbewegung, »das fragt man eine Dame aber nicht.« Wie schon die Fotos verraten hatten, verhehlte er seine sexuelle Orientierung nicht. »Was denken Sie denn?«
    »Frau Hönig, die Wachschutzfrau, schätzt sie auf 60.«
    Besenbinder lächelte wie das berühmte Honigkuchenpferd.
    »Das ist ein wunderbares Kompliment. Ich bin 72!«
    »Unglaublich.«
    »Nicht wahr?« Eine Honigkuchenpferdeherde konnte nicht breiter grinsen.
    »Sie sind sicher Rentner?«, fragte der Lorbass.
    »Gott sei dank bin ich das! Ich muss meine Haut nicht mehr zu Markte tragen – das ist sehr angenehm. Und die Gesundheit macht auch noch mit.« Besenbinder schenkte dem Lorbass nach. Inzwischen war die Katze im Wohnzimmer erschienen und starrte ausgerechnet Uplegger wütend an. »Ihre ungestellte Frage beantworte ich auch gleich: Ich habe über zwanzig Jahre als Konstrukteur auf der Neptunwerft gearbeitet, zuletzt als

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