Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
Sie sicher auch die Wohnung?«
Miriam nickte, Morbacher ebenfalls. Sie sagte: »Klar. Alle Räume, außer dem Schlafzimmer. Lena konnte ganz gut kochen, besser als ich jedenfalls. Wir haben gern in der Küche gehockt und Wein getrunken, während sie brutzelte.«
»Die beiden Fotos im Wohnzimmer, was können Sie uns dazu sagen? Wir wissen, dass sie während Lenas Freiwilligem Sozialen Jahr in Guatemala aufgenommen wurden. Wissen Sie vielleicht, wo sie im Einsatz war – und wann?«
»Wie kommen Sie darauf, dass sie ein FSJ in Guatemala gemacht hat?«, fragte Daniel, ziemlich überrascht.
»Das steht in ihrem Facebook -Profil. In ihrem falschen Profil, genauer gesagt. In dem sie sich auch Miriam nennt.«
»Und es ist genauso falsch wie der Name … und die anderen Angaben wohl auch.« Morbacher runzelte die Stirn. »Mann, was das Mauerblümchen …«
»Asexuell«, warf Barbara ein.
»Ja, was das asexuelle Mauerblümchen so alles angestellt hat. Da trifft ja wirklich zu, dass stille Wasser tief sind. Ich bin in Lateinamerika gewesen, gleich nach dem Abi und mit ’nem Kumpel. Wir haben ein Freiwilliges Soziales Jahr in Mexiko gemacht, in Chiapas. Ein Projekt für Straßenkinder. Genau genommen ging es nur acht Monate, und dann sind wir noch dreieinhalb Monate durch Mittel- und Südamerika getrampt, immer die Panamericana lang, bis nach Feuerland. Mein Kumpel ist ein Fan von Manuel Montalbán, das ist so’n Krimiautor aus Barcelona, der schon tot ist, also auch schon tot war, als wir in Amerika waren … jedenfalls, der liebte das Buch Requiem für einen Genießer und wollte unbedingt so reisen wie die beiden Helden, Pepe Cavalho und … keine Ahnung, wie der andere hieß … also wir sind bis Ushuaia gekommen, der südlichsten Stadt Argentiniens am Beagle-Kanal. Dann nach Buenos Aires geflogen und von dort völlig erschöpft, vollgepumpt mit Eindrücken und mit total leerem Geldbeutel zurück nach Old Germany. Das war ein totales Abenteuer!«
Barbara erinnerte sich des erwähnten Romans, den sie zwar nicht gelesen hatte, aber immerhin gekauft, und zwar ganz sicher als Mängelexemplar. Vom Grabbeltisch nahm sie schon einmal Titel mit, von denen sie sich selbst gegenüber behauptete, sie würde sie später lesen, als Rentnerin. Pensionärinnenliteratur hatte sie mittlerweile zuhauf.
»Da bin ich glatt ein bisschen neidisch«, behauptete sie, obwohl es nicht – nicht mehr - zutraf, da ihr alle Teile von Südamerika inzwischen zu weit entfernt waren; sie war ja noch nicht einmal bis zum Mittelmeer vorgestoßen, da war es kaum vorstellbar, dass sie je den Atlantik überqueren würde. »Dass sie angeblich in Guatemala ein FSJ absolvierte, hat Lena also von Ihnen kopiert?«
»Es sieht danach aus, oder? Sie war dort nur auf einer Art Klassenfahrt … Also nicht richtig eine Klassenfahrt …«
»Das ging von der Schule aus«, wusste Miriam beizusteuern. »Die haben da so eine Schulpartnerschaft mit Guatemala.«
»Welche Schule?«
»Ostseegymnasium. In Evershagen.«
Breithaupt mischte sich ein: »Also hat Lena auf jeden Fall studiert, wenn auch vielleicht nicht das, womit sie sich schmückte?«
Beide schüttelten den Kopf, und Daniel sagte: »Sie meinen, weil sie Abi hat? Nein, nein. Sie wollte schnell Geld verdienen und hat eine Berufsausbildung gemacht. Irgendetwas mit Verwaltung und Buchhaltung, fragen Sie mich nicht. Jedenfalls arbeitet sie bei der Geschäftsführung unserer WBG Waterkant .«
»Ihre WBG?«
»Dieses Haus ist genossenschaftliches Eigentum, ja.«
Barbara machte große Augen: »Lena ist bei der Wohnungsbaugesellschaft beschäftigt, der dieses Haus gehört?«
»Ja. Warum auch nicht?«
Darauf hatte Barbara keine Antwort. Menschen, die bei Wohnungsbaugesellschaften beschäftigt waren, mussten schließ-lich auch irgendwo wohnen, warum nicht in einem Haus ihres Arbeitgebers? Barbara hatte dennoch ein komisches Gefühl, so als hätte Lena Schultz sich selbst verwaltet – nun war sie doch unbewusst bei der Vergangenheitsform gelandet.
»Wenn sie mit der Schule in Guatemala gewesen ist, dann wird sie kaum ein Jahr dort verbracht haben, oder?«
»Nein, höchstens drei Wochen. Aber Sie können sich darüber im Internet schlau machen. Es gibt ein Reisetagebuch.«
»Im Internet?« Barbara nutzte seit Jahren das Netz ohne Boden, aber noch immer überraschte sie, was dort alles veröffentlicht wurde. Wobei auch hier galt: Warum eigentlich nicht? Ein Schulausflug nach Guatemala war zweifellos
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