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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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interessanter als eine Klassenfahrt zur Jugendherberge von Feldberg, auf den Spuren Hans Falladas. Barbara hatte als Oberschülerin eine solche Fahrt unternehmen müssen. Gern dachte sie nicht daran, denn damals war sie, wie fast alle Mädchen, in den beliebtesten Jungen der Klasse verknallt gewesen, bis über beide Ohren und natürlich hoffnungslos.
    »Die beiden Fotos in ihrem Zimmer …«
    »Genau. Die stammen von dieser Reise. Sind in der Partnerschule aufgenommen. Sie hat uns auch den Ort genannt, aber den kann man sich nicht merken. Die Schule wird jedenfalls von Jesuiten geführt. In Santa María Chic…?«
    »Chicxulub?«, warf Miriam ein.
    »Nee, das ist in Mexiko, an der Nordspitze von Yucatán. Da wo dieser Riesenkrater ist, von dem Meteoriten, wegen dem die Dinosaurier ausgestorben sein sollen …«
    Wegen dem , dachte Barbara – von einem Studenten der Kommunikation hätte sie schöneres Deutsch erwartet. Das gab ihr die nächste, an Miriam gerichtete Frage ein: »Warum haben wir Sie an der Rostocker Uni nicht gefunden?«
    »Weil ich da nicht studiere, sondern in Berlin. Humboldt-Uni. Ich fahre immer hin und her.«
    »Täglich?«
    »Nein.« Miriam schüttelte vehement den Kopf. »Ich hab auch ein Zimmer in Berlin. Sooft ich kann, bin ich aber hier.« Sie deutete auf Daniel und sagte mit sanfter Stimme: »Wegen dem da.«
    Wegen dem! – Schwamm drüber.
    »Sie sind aber beide Rostocker?«
    »Ich nicht«, sagte sie. »Ich komme aus Stavenhagen. Er ja.«
    »Wo haben Sie Ihr Abitur gemacht, Herr Morbacher?«
    »An der Christophorusschule. Meine Eltern wollten das so. Sie sind sehr christlich.« Er sprach das aus, als wäre es ein Makel.
    Barbara machte sich nun endlich Notizen, während sich Breithaupt nicht ohne Mühe aus den Kissenbergen wühlte und sich verabschiedete, vermutlich um sich am Ereignisort umzuschauen. Daniel Morbacher reichte derweil seiner Freundin eine weitere Zigarette und drehte sofort eine neue.
    »Da Sie mit Lena befreundet waren, wissen Sie doch bestimmt, ob sie Besuch empfangen hat«, sagte Barbara und schlug eine neue Seite ihres Notizblocks auf.
    »So dick standen wir eigentlich nicht mit ihr.«
    »Na, doch«, widersprach Miriam.
    »Als wir vor anderthalb Jahren eingezogen sind, hat sie sich uns regelrecht an den Hals geworfen«, meinte Morbacher, und es klang eine gewisse Verachtung mit. Barbara glaubte jedenfalls, Verachtung zu hören. »Sie wusste durch ihren Job bei der WBG, dass wir Studenten waren, und sie wollte unbedingt mit Studis befreundet sein … was weiß ich. Ich fand sie manchmal ein bisschen anstrengend …«
    »Ja, aber sie konnte sehr nett sein. Und sie war hilfsbereit. Wenn wir mal einzukaufen vergessen hatten, konnten wir jederzeit bei ihr klingeln.«
    »Dass sie im Netz Ihre Identität angenommen hat, Frau Güntzel, oder Teile Ihrer Identität, das wussten Sie nicht?«
    »Nein. Das hätte ich auch nicht erlaubt.«
    »Und gab es andere Freunde? Besucher?«
    »Ganz selten«, sagte Daniel. »Also Freunde – Fehlanzeige. Wir haben natürlich nicht alles mitbekommen … Aber in der Zeit, in der wir hier wohnen, hat sie vielleicht zwei oder drei Mal Besuch gehabt. Ihre Schwester, glaube ich. Und deren Mann, also ihr …«
    »Ihr Schwager«, sagte Barbara und schrieb es auf.
    Besenbinder lebte seit 23 Jahren eine Beziehung. Genau so drückte er sich aus: Nicht dass er seit 23 Jahren in einer Beziehung lebe, sondern er lebte sie. Das gehörte zu der Art von Geschwätz, das man nach der Wende aus dem Westen übernommen hatte und das die Dampframme so hasste. Im Gegensatz zu seiner Kollegin regte sich Uplegger darüber nicht mehr auf, ja er ertappte sich sogar dabei, dass er selbst Formulierungen wie zeitnah, authentisch oder sozialisiert benutzte und dass er Gern statt Bitte sagte.
    Besenbinders Beziehung wohnte auch in Lütten Klein, in der Turkuer Straße. Sie war 65 Jahre alt, und die Vorstellung zweier altersfleckiger Männer beim Sex ekelte Uplegger so sehr, dass er ein paar Mal schlucken musste, bevor er fragen konnte: »Bei diesem Ihrem Freund … verbrachten Sie den gestrigen Abend?«
    »Ja. Ich bin oft dort, er ist oft hier.«
    »Warum ziehen Sie nicht zusammen?«
    »Tja …« Besenbinder verschlang Uplegger mit dem Blick. »Wir führen schon immer eine offene Beziehung.«
    Der Lorbass, der manchmal unüberlegt Dinge sagte, die er lieber für sich behalten sollte, bemerkte: »Sie nehmen es mit der Treue nicht so genau?«
    »Und wie genau wir es damit

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