Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
ihre Hand und begann daran zu lecken.
»Othello, aus!«, befahl seine Herrin. Obwohl sie nicht sehr groß war, verfügte sie über eine außerordentlich kräftige Stimme. Mitte 40 mochte sie sein, trug Jeans und eine gelbe Bluse, darüber eine graublau karierte Damenweste.
Nach dem ersten Schreck zuckte Barbara mit den Schultern und meinte, ihr mache es nichts aus. Frau Schultz warnte, sie würde den verschmusten Riesen nicht mehr loswerden, wenn sie sich ihm zuwende. Der Hund wurde in den Garten geschickt, also drückte er sich zwischen den Sträuchern hindurch, blieb aber hinter ihnen stehen und beobachtete die Besucher.
Die wurden durch einen engen, aber langen Flur in ein großes, üppig möbliertes Wohnzimmer und weiter in einen Wintergarten geführt, in dem bereits der Kaffeetisch gedeckt war.
Uplegger spürte Magensäure aufsteigen.
»Mein Mann lässt sich entschuldigen, er musste zu einem Mandanten«, es folgte die einladende Geste zu einem runden Rattantisch, den drei Rattansessel umstanden, »eine Steuerprüfung. Man weiß nie, wie lange so etwas dauert. Er bemüht sich, bald zurückzukommen. Aber nun sagen Sie, was führt Sie zu uns?«
Barbara setzte sich. Der Wintergarten legte Zeugnis ab vom grünen Daumen der Hausfrau, denn die vielen Blattpflanzen gediehen prächtig. Es roch auch ein bisschen nach Gewächshaus. Die Fenster gaben nur wenige Durchblicke in den Garten frei, der überwiegend aus Rasen bestand. Auf der Terrasse vor dem Wintergarten wartete der Hund und starrte Barbara an.
Auch Uplegger nahm Platz. Frau Schultz schenkte Kaffee ein, und aus Höflichkeit lehnte er nicht ab; er würde aber nur nippen.
»Es handelt sich um Ihre Tochter Lena«, sagte er.
»Um Lena?« Sie ließ ganz langsam die Kanne sinken und stellte sie auf eine Kachel mit dem Motiv einer Holländerwindmühle, damit auf dem weißen Tischtuch keine Ringe entstünden. »Unsere Tochter bezeichnen Sie als Sachverhalt?«
»Wieso?«
»Der Herr, der uns angerufen hat, sagte, Sie kämen zur Klärung eines Sachverhalts …«
»Ja, das ist so Beamtendeutsch«, erklärte Barbara. Sie sprach in Richtung Othellos, der sie weiterhin fixierte. Dann schaute sie zu Uta Schultz, die sich gerade setzte. »Wann haben Sie Ihre Tochter zum letzten Mal gesehen?«
»Nun sagen Sie doch erst, was passiert ist! Mein Gott, ich fange an, mir Sorgen zu machen – wann wir unsere Tochter zum letzten Mal gesehen haben? Das klingt ja, als wäre sie verschwunden!«
»Es hat den Anschein, als wäre sie es tatsächlich.«
»Was? Wer vermisst sie denn?«
»Sie nicht?«
Frau Schultz schüttelte den Kopf. Sie hatte kurzes braunes Haar, ohne eine Spur von Rot. Und Sommersprossen waren auch nicht zu entdecken.
»Wir haben sie am letzten Wochenende noch gesehen. Sie kam am Sonnabend zum Mittagessen und blieb über Nacht. Das macht sie öfter; sie ist ja allein, hat keine Familie, und so besucht sie uns an ungefähr drei von vier Wochenenden. Über Nacht bleibt sie aber nur manchmal.«
Uplegger fragte: »Dann haben sie ein enges Verhältnis?«
»Das kann man wohl sagen. Und nun möchte ich endlich wissen, wer sie vermisst gemeldet hat.«
Der unentwegte Blick des Hundes machte Barbara immer nervöser, und es übermannte sie Mitleid mit dem Tier, das im strömenden Regen litt und sehnsuchtsvoll auf sie blickte – so interpretierte sie jedenfalls sein Starren.
Barbara wollte die Gastgeberin schon bitten, die bedauernswerte Kreatur doch einzulassen, aber wenn sie an den Geruch von nassem Hundefell dachte, fand sie diesen Einfall nicht so gut. Einen anderen umso besser: Sie würde der Mutter jetzt reinen Wein einschenken. Dieses Herumeiern war ja schrecklich …
»Nachbarn haben in der Wohnung Ihrer Tochter Blutspuren entdeckt.« Punkt, dachte sie.
Uta Schultz riss die Augen weit auf. »Blutspuren?«
Barbara nickte. »Sehr viel Blut«, ergänzte sie. Uplegger gab ein undeutbares Geräusch von sich.
»Wie? Woher?«, stammelte die Mutter.
»Das wissen wir nicht.«
»Und wo ist Lena?« Diese Frage zeigte, wie durcheinander Frau Schultz mit einem Mal war, beantwortete sie sich doch eigentlich von selbst.
Doch Barbara erwiderte: »Das wissen wir ebenfalls nicht.«
»Was heißt das?« Hilfesuchend wandte sich die Mutter an Uplegger, in dem sie den guten Hirten erkannte, den Chefempathiker. Barbara hingegen wurde, wohl aufgrund ihres Volumens, von ihr wie so oft als grober Klotz empfunden, dabei hatte sie es von ihrer Suchtberaterin doch quasi
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