Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)
Mieterin.«
Uplegger nahm eines der Waffelröllchen, rührte den Kaffee aber nicht an, weil er schon zu viel getrunken hatte. Während er das Gebäckstück betrachtete, als handle es sich um eine Kostbarkeit, wandte er sich an Frau Koplow: »Was genau hat sie denn gemacht?«
»Frau Schultz war für die Reparaturauftragsbearbeitung zuständig. Also Annahme der Mieteranliegen, die entsprechende Sachbearbeitung und das Auslösen des Auftrags. Ich habe die Formulare unterschrieben, dann gingen sie an die Technik. Oder an den Hausmeisterservice. Und die Technik hat das Problem entweder selbst aus der Welt geschafft oder, nach Rücksprache mit uns, eine Fremdfirma beauftragt. Also, genau genommen hat man mit Frau Schultz Rücksprache genommen. Bei Aufträgen bis 200 Euro konnte sie selbstständig entscheiden.«
Auf dem Schreibtisch des Personalchefs begann das Telefon ein Geräusch von sich zu geben, das man als musikalisches Brummen bezeichnen konnte. Steinmann hob entschuldigend die Achseln, stand auf, nahm den Hörer und meldete sich. Er hörte ein paar Sekunden zu, dann zuckte er abermals mit den Schultern, grinste breit und verließ den Raum. Barbara bedauerte das nicht, und ein Blickwechsel mit Uplegger zeigte, dass es ihm ebenso ging.
»Hat Frau Schultz auch Anrufe entgegengenommen?«
»Ja, sicher.« Für einen Moment erschien ein zaghaftes Lächeln auf der Miene von Frau Koplow. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen: ihre ungewöhnlich tiefe Stimme. Es kommt tatsächlich vor, dass Anrufer sie für einen Mann halten, aber mittlerweile haben sich die Mieter, die häufiger anrufen, an sie gewöhnt. Übrigens kann man mit einer solche Stimme einiges bewirken. Lena … Frau Schultz musste sie nur heben, und so mancher obstinate Mieter kuschte.«
»Sie haben sich geduzt?«
»Ja, wir duzen uns. Wir drei Frauen, meine ich. Persönliche Gespräche während der Sprechzeiten am Dienstagvormittag und am Donnerstagnachmittag hat allerdings Frau Iskander geführt. Lena selbst hat es so gewollt. Es ist wohl öfter vorgekommen …« Frau Koplow senkte die Stimme und schaute zur Tür. Das war überflüssig, Steinmann telefonierte mit einem gewaltigen Organ, das wohl seine Bedeutung hervorheben sollte. »Es ist vorgekommen, dass man sie als Transvestit beschimpft hat.«
Einen Moment lang sprach niemand. Uplegger versuchte sich vorzustellen, wie das wohl sein mochte, wenn einem so etwas unterstellt wurde: Du bist wohl ’ne Transe, oder was, Alter? Nur weil man eine tiefe Stimme hatte. Die Transvestiten benutzten das Wort nicht, wie er aus der Fachliteratur wusste. Transe nannten sie sich sowieso nicht, aber auch nicht mehr Transvestit. Und auch transsexuell nicht, weil sie nicht aufs Sexuelle reduziert werden wollten; man kannte dergleichen ja auch von den Homosexuellen. Aber wie nannten sie sich bloß? Transgender? Ja, das konnte sein …
»Wussten Sie, dass Lena Schultz einen Drohbrief bekommen hat? Man drohte ihr etwas Schlimmes an, wegen Mieterhöhungen und wegen der Nebenkostenabrechnung.«
Frau Koplow setzte sich kerzengerade und blickte Uplegger verständnislos an: »Aber mit diesen Bereichen hat sie doch gar nichts zu tun!«
»Die Leute, die sie bedrohten, interessierte das offenbar nicht. War sie ein gesprächiger Mensch?«
»Lena?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein, sie war eher still.«
»Dann werden ihre Nachbarn vielleicht wissen, dass sie bei der WBG arbeitet, aber nicht, was sie hier macht.«
»Tja …« Sie hob die Schultern und ließ sie abrupt wieder fallen. »Von einem Drohbrief hat sie nie erzählt.«
»Und von ihrem Privatleben?«
»Von Privatem?« Frau Koplow winkte ab, mit einer kaum wahrnehmbaren Geringschätzung. »Nicht das Geringste.«
»Kein Freund?«
»Nein. Wenn überhaupt, hat sie von ihren Eltern erzählt. Sie war wohl oft an den Wochenenden auf dem Grundstück in Dierkow.«
»Nichts über Hobbys, Freizeitbeschäftigungen, Freunde oder andere Verwandte?«
»Tut mir leid. Sie weiß vermutlich dreimal mehr über Frau Iskander und mich als wir über sie.«
»Und arbeitsmäßig?«
»Da war sie okay«, sagte Lenas Chefin. »Zuverlässig. Hat alle ihre Aufträge und Anweisungen ausgeführt. Nicht viel Worte drum gemacht, sondern es einfach abgearbeitet.«
»Ist das eine Tugend?«
Frau Koplow schaute Uplegger an, als käme er vom Mond.
»Heutzutage ja.«
Als die beiden Kriminalbeamten die Vorpommernbrücke passierten, wies eine erste Werbetafel auf die Dierkower Mühle Zum
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