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Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock)

Titel: Mörder im Chat - Ostsee-Krimi : (Aus Rostock) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinstorff-Verlag
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Holländer hin und lud zum Besuch der »beliebten gastronomischen Einrichtung mit Hofladen«. Beifahrerin Barbara konnte einen Blick auf die Anschrift erhaschen.
    »Ludwig-Feuerbach-Weg 15a, dahin müssen wir doch!«
    »Wieso?«, fragte Uplegger zerstreut, während die weibliche Stimme seines Navis empfahl: »Nach fünfzig Metern links abbiegen!«
    »Dort wohnen die Eltern.«
    »Und wieso habe ich dann den Fontaneweg eingegeben?« Uplegger war hörbar genervt.
    »Weil sie dort wohnen: Fontane-/Ecke Ludwig-Feuerbach-Weg«, sagte Barbara und entdeckte ein weiteres Plakat der Mühlengaststätte: Öffnungszeiten Dienstag bis … Dann waren sie vorbei.
    Auf dem weiteren Weg über den aberwitzig hässlichen Dierkower Damm erschien rechts ein mit dunkelblauen und weißen Platten verkleideter Betonblock, den eine riesige Schrift in Orange als Hotel auswies, links waren hinter einer durch den Regen in Sumpfland verwandelten Brache die Neubauten der Holzhalbinsel, dahinter der Turm der Petrikirche und über allem tiefhängende Wolken zu sehen. Ebenso grau wie sie waren die nächsten Blöcke auf der rechten Seite, links ratterte eine umgebaute Tatra-Bahn vorbei. In Zeitlupe, für das menschliche Auge zu langsam, aber stetig, verfielen hier leerstehende Gewerbe- und Verwaltungsgebäude. Dass hier und da Fassaden renoviert worden waren, ließ das Umfeld noch niederschmetternder wirken: So musste sich ein schwer Depressiver fühlen, wenn man zu ihm sagte, draußen sei schönes Wetter und er solle endlich die Vorhänge aufziehen.
    Wieder kam ein an einer Laterne befestigtes Plakat auf sie zu. Barbara konzentrierte sich: Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag ab 12 Uhr. Streichelzoo. In unserem Hofladen führen wir Bio … Das Wort zu ergänzen fiel ihr leicht.
    »Sie werden in nächster Zeit noch mehr Bioprodukte in sich hineinstopfen müssen«, sagte sie. »Was Sie sich alles aufladen! Da müssen Sie viel für die Gesundheit tun.«
    Schon seit fast zwei Tagen wartete Uplegger darauf, dass sie eine Anspielung auf seine Wahl zum stellvertretenden BDK-Landesvorsitzenden machte, nun war es endlich geschehen. Denn dass sie davon nichts erfahren haben sollte, war unvorstellbar: Die Dampframme mochte noch so abwesend oder gleichgültig wirken, sie bekam mehr mit als alle anderen. Und so ungebildet sie oft tat, sie war in Wirklichkeit den meisten Kollegen überlegen. Das war ihre Form der Tarnung und vielleicht sogar eine Überlebensstrategie: sein Gegenüber dazu zu verführen, einen zu unterschätzen. Allerdings beherrschte sie auch die Klaviatur von Arroganz und die Attitüde vollkommener Überlegenheit.
    »Wie kann ein intelligenter Mensch nur so dämlich sein«, fuhr sie fort. Uplegger bog weisungsgemäß in die Hinrichsdorfer Straße. »Ich meine, Sie haben doch genug zu tun als Mitarbeiter der Mordkommission und als alleinerziehender Vater – und dann lassen Sie sich noch so eine Funktion aufnacken! Ihre Eltern hätten Ihnen statt einer Puppenstube doch lieber Autos und Plastikgewehre kaufen sollen …«
    Wie weh das tat! Wie sehr ihn ihre Worte trafen, vor allem, weil sie recht hatte. Die Anspielung auf die Puppenstube, die er natürlich nie besessen hatte, sollte ihn als Weichei qualifizieren, als Warmduscher, kurz: als Feigling, dem es nie gelang, seine Interessen durchzusetzen.
    Uplegger brummte nur.
    Barbara war noch nicht fertig: »Sie haben sich bestimmt zeitlebens in alle nur denkbaren Funktionen wählen lassen: Zum Beispiel Pioniergruppenorganisator … oder wie hieß das noch mal?«
    »Gruppenratsvorsitzender.«
    »Ach ja. Waren Sie?«
    »Hm.«
    »FDJ-Sekretär?«
    »Ich muss jetzt nach links und auf den Gegenverkehr …«
    »FDJ-Sekretär?«
    »Ja, auch.«
    »Parteigruppenorganisator?«
    »Kam die Wende dazwischen.« Uplegger bog in den Ludwig-Feuerbach-Weg, und das bedeutete, ihr Ziel war nahe. Die Siedlung Dierkow-West, in der sie sich nun befanden, bestand vorwiegend aus Ein- und Zweifamilienhäusern. Bei einigen verrieten die Backsteinarchitektur und die spitzen Giebel noch ihre Herkunft aus dem Dritten Reich, als man für die zugezogenen Arbeitskräfte der expandierenden Rüstungsindustrie neuen Wohnraum gebraucht hatte. Viele andere aber hatte man verputzt, und es waren auch etliche Neubauten entstanden, manche davon wohl durch schleichenden Um- und Anbau.
    Barbara hatte immer noch Text: »Sie gehören zu den Leuten, denen heutige Jugendliche zurufen: Hallo, Opfer! Immer sind Sie bereit. Und die anderen denken:

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