Moerder Im Gespensterwald
Verhaltens Ihrer Frau … dass sie vielleicht fortgelaufen ist?«
»Ausgeschlossen.« Das sagte Dünnfelder im Brustton der Überzeugung. »Mareike hat ihr quasi von Geburt an eingehämmert, dass sie bei mangelndem Wohlverhalten ihre Liebe verlieren wird. Diese ständige Drohung – ich kenne sie auch – hat Karina so geprägt … Ich fürchte, dass sie dauernd in Panik ist, ihre Mama zu verlieren.«
»Sie klammert?«
»So kann man es auch ausdrücken. Es hat mich sehr viel Mühe gekostet, sie dazu zu bewegen, für längere Zeit aus dem Haus zu gehen und mit Freunden zu spielen. Und die ersten Schultage waren sehr anstrengend. Sie hat sich sehr auf die Schule gefreut, weil man als Schulkind ja schon groß ist. Als es soweit war, wollte sie aber nicht.«
»Sie wollte nicht fort von Mamas Rockzipfel?«
»Ja. Obwohl es den gar nicht gibt.«
Barbara stand auf. »Herr Dünnfelder, vielen Dank für Ihre Kooperation.«
»Aber sie liegt doch in meinem … in unserem Interesse.«
»Schon. Eine Frage noch: Hat Karina einmal erwähnt, dass sie schwedische Kinder kennengelernt hat?«
»Nicht, dass ich wüsste. Wann denn?«
»In den letzten Tagen.«
»Nein, nie.«
»Nochmals danke.« Barbara drückte ihm kräftig die Hand. »Und alles Gute. Wir finden Karina. Machen Sie sich keine Sorgen.«
»Was macht Sie so sicher?«
Diese Frage beantworteten weder Barbara noch Uplegger.
Dünnfelder brachte sie zur Tür. Barbara war der Bankrotteur am Anfang – nicht zuletzt wegen des fiesen Harz-IV-Spruchs – eher unsympathisch gewesen, aber das hatte sich geändert. Auf jeden Fall war er ein liebender Vater, der eine enorme Last zu schultern hatte, und er tat ihr aufrichtig leid. Das wollte etwas bedeuten, denn mit dieser Art Gefühl war Barbara Riedbiester nicht gerade freigebig.
Schweigend ging das Kripoteam zur Gartenpforte. Weit kamen sie nicht. Aus der Flügeltür kam ihnen Mareike Dünnfelder nachgelaufen, ohne Schuhe und noch verwüsteter wirkend. Sie stellte sich ihnen in den Weg, mit tränenüberströmtem Gesicht und in höchstem Maße erregt. Gleichwohl gelang es ihr, die Stimme zu senken und eine Verschwörermiene aufzusetzen, die im Widerspruch zu ihrer Traurigkeit zu stehen schien. Oder gab es das, fragte sich Barbara, eine betrübte Verschwörerin? Warum eigentlich nicht?
»Ich muss Ihnen etwas Wichtiges mitteilen. Es fällt mir aber sehr schwer.« Mit dem Handrücken wischte sie Tränen weg. »Seit Jahren geht das schon so. Ich weiß gar nicht mehr … Sie müssen mir helfen.«
»Wovon sprechen Sie?«, wollte Uplegger wissen.
»Davon, dass er«, Mareike Dünnfelder wies hinter sich zur Villa, »dass er meine Tochter missbraucht.«
***
Uplegger fühlte sich von den Anschuldigungen der Mutter abermals wie vor den Kopf geschlagen. Leider war es nicht möglich gewesen, die Vorwürfe zu konkretisieren: Ein Anruf aus der Dienststelle hatte vorsichtige Nachfragen zunichte gemacht. Bei der Polizeiwache in Markgrafenheide war eine Familie Wetterstrom aus Stockholm als vermisst gemeldet worden. Ein gewisser Robert Gundersen hatte angezeigt, dass die Familie von einer Fahrt nach Doberan nicht zurückgekehrt war und dass er einen Unfall vermutete – Uplegger und Barbara wussten es besser.
Sie riefen Ann-Kathrin Hölzel zur Dünnfelder-Villa, damit sie die Missbrauchsvorwürfe prüfte. Sie selbst machten sich auf den Weg nach Markgrafenheide.
»Glauben Sie Frau Dünnfelder?«, fragte Uplegger, als sie gerade Elmenhorst erreicht hatten.
Barbara umging die Antwort mit einer Gegenfrage: »Glauben Sie ihr denn?«
»Ich weiß nicht. Ihr ganzer Auftritt lässt mich zweifeln. Vielleicht kann sie Realität und Einbildung nicht auseinanderhalten.«
»Wer kann das schon.« Barbara jagte Kuddel über die Landstraße nach Diedrichshagen. Jenseits eines im Wasser stehenden Feldes erhoben sich die Neubaublöcke von Lichtenhagen, aus dem Kühlturm des Steinkohlekraftwerks dahinter stieg Dampf empor. Vor den Blöcken hatte man begonnen, eine Einfamilienhaussiedlung aus dem Ackerboden zu stampfen. Dünnfelder hatte schon Recht, Krethi und Plethi vernichteten wie die Besinnungslosen immer mehr landwirtschaftliche Flächen und Natur rund um die Stadt.
»Pfusch am Bau«, sagte Barbara nach einer Weile sinnierend. »Das betrifft nicht nur Einfamilienhäuser.«
»Wie? Ach so, Sie meinen …?«
»Die Landesvertretung von MV in Berlin. Erst zehn Jahre steht das Gebäude und muss schon für anderthalb Millionen saniert werden. Oder
Weitere Kostenlose Bücher