Moerder Im Gespensterwald
das Radisson-Hotel in der Langen Straße, auch von einem der vielen dubiosen Bauunternehmer errichtet. Diese Plastikklinker, die ich sowieso nicht leiden kann, fallen von der Fassade. Steinschlaggefahr!«
»Die Hamburger Elbphilharmonie und das Sprengelmuseum in Hannover«, steuerte Uplegger weitere Beispiele bei.
»Auch Pfusch am Bau?«
»Nein, in der Planung. Komplette Fehlkalkulationen.«
»Wahnsinn!«, rief Barbara. »Wir können bald singen: Deutschland, einig Pfuscherland!«
Das schwere schwarze Gewölk über Rostocks Nordwesten kündigte neue Gewitter und Schauer an, und auf der Straße zwischen Diedrichshagen und Warnemünde stand das Wasser auf Höhe des Friedhofes so hoch, dass Barbara das Äußerste aus ihrem Wagen herausholte, um nicht stecken zu bleiben. Sie duschte dabei eine Gruppe von Spaziergängern in wetterfester Kleidung, die ihr mit erhobenen Fäusten hinterherdrohten.
»Was sagen Sie eigentlich zu dem Penelope-Pastor-Machwerk in Dünnfelders guter Stube?«, fragte sie. »Man entkommt dieser Frau in Meck-Pomm wirklich nirgendwo, jedenfalls nicht beim hiesigen Geldadel.«
»Das Gemälde …«
»Die Schmiererei!«
»Das Werk …«
»Der Schinken!«
»Das Was-auch-immer enthält einen kapitalen Fehler.«
»Ehrlich? Das beglückt mich.«
»Die Sphinx ist eine Gestalt der griechischen Mythologie. Im alten Griechenland gab es aber keine Togen. Die sind römisch.«
»Phantastisch!«, rief Barbara und beschleunigte ihren Oldtimer unmittelbar vor dem Ortseingangsschild. »Dünnfelder scheint ein Fan der Antike zu sein. Dass er das nicht bemerkt hat …«
Unter solchem und ähnlichem Geplauder, das sie ein paar Minuten lang weder an die Toten noch an Karina denken ließ, näherten sie sich dem Fähranleger in Warnemünde. Am Kreuzfahrtterminal lag eine riesige schwimmende Stadt, auf der Warnow zuckelten zwei Zeesenboote in Richtung offenes Meer, von wo ihnen ein Segelschiff entgegenkam, dessen Namen Barbara nicht entziffern konnte. An der Kaikante winkten enthusiastische Besucher den Seefahrern zu, mehrere Hundert eng aneinandergedrängte Menschen, allesamt potenzielle Mörder, die Kinder natürlich abgerechnet. Straße und Promenade waren nass, und das galt auch für die metallene Haut der Fähre, die Dächer der Autos und die Kleidung der Wartenden. Das Gewitter war weitergezogen, nun tröpfelte es nur noch, und weit im Osten waren ab und zu Blitze zu sehen.
Barbara zeigte ihren Dienstausweis und wurde an Bord der Fähre gewinkt, wo schon eine Menge Autos Stoßstange an Stoßstange standen. Den kritischen Blick des Kontrolleurs auf Kuddel quittierte sie mit einem Achselzucken. Wahrscheinlich würde der Mann nach Dienstschluss Frau oder Freunden von der Armut der Polizei berichten, und so falsch lag er damit ja gar nicht. Barbara stellte sich vor, wie Beamte in nicht allzu ferner Zeit mit Sammelbüchsen durch die Einkaufsmeilen pilgern würden. Bei der Bundespolizei hatte man längst begonnen, den Sprit zu rationieren, der nächste Schritt waren vermutlich Pferdefuhrwerke. Vielleicht könnte man die Polizei auch einem findig-windigen Investor verkaufen, beispielsweise dem Erbauer der Yachthafenresidenz Hohe Düne .
Dessen Fall – Fall im doppelten Sinne als Gegenstand der Strafverfolgung und als Sturz – kam ihr in den Sinn, weil die mit großem Getöse erbaute und mit noch größerem Geschrei eröffnete Hotelanlage während der unglaublich rasanten Fährüberfahrt unübersehbar war. Neben Fördermitteln steckte enorme kriminelle Energie in dem überdimensionalen Komplex.
»Ich habe eine geniale Tourismusidee«, sagte Barbara, während die Fähre festgemacht wurde.
»Gott im Himmel!«
»Bevor Sie sich an den wenden, sollten Sie sich meine Idee erst einmal anhören.«
Uplegger fügte sich ins Unvermeidliche: »Ich höre.«
»Man könnte Touren zu allen Projekten organisieren, die ihre Existenz dem Subventionsbetrug verdanken. Dabei lernen die Besucher ganz Mecklenburg-Vorpommern kennen, jeden Winkel, inklusive einer Audienz bei der Landesregierung. Und als Andenken bekommt jeder das Modell eines EU-geförderten Spaßbades sowie eine Dose Kaviar.« Sie dachte dabei an ein noch nicht lange zurückliegendes Ermittlungsverfahren, bei dem eine ominöse Kaviarzucht eine tragende Rolle gespielt hatte.
»Sie dürfen!«, sagte Uplegger.
»Das sehe ich selbst!« Barbara ließ die Kupplung so plötzlich kommen, dass Kuddel von der Fähre sprang.
Sie fuhren am Heidehaus vorbei, einem
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