Moerder Im Gespensterwald
habe ich sie mir schon näher angeschaut. Noch keine Untersuchung, nur ein Beschnüffeln, claro? Papier und Umschläge sind Dutzendware. So nennt man das, Millionenware träfe es besser. Man kriegt beides in jedem Ein-Euro-Laden. Die Briefmarken wurden zwar zum Jubiläum der Luftfahrtausstellung von 1909 auf den Markt gebracht, sind aber noch lieferbar. Bemerkenswert ist – außer dem Stempel des Briefzentrums Lübeck – die Handschrift. Keine Ahnung, wie ein Fachmann es nennt, ich sage, sie hat einen Linksdrall. Mit den englischen Texten kann ich nichts anfangen, da reicht es bei mir nur bis ›Good morning!‹ und ›See you later, alligator!‹, und damit komme ich seit 51 Jahren durchs Leben.«
»Lässt du eine forensische Schriftuntersuchung machen?«
»Mensch, Barbara, das war wirklich eine dumme Frage. Aber handschriftlich ist nur die Adresse, das ist wenig Material. Ergiebiger wäre vielleicht eine forensisch-linguistische Analyse.«
»Hast du dafür jemanden im Auge?«
»Beim BKA gibt es wohl ein paar Leute, die das machen können. Erfunden haben die forensische Linguistik übrigens, glaube ich, die Schweden. Sie haben sich jedenfalls schon früh dafür eingesetzt, in den 50ern. Das passt doch ganz gut zu unseren Toten, oder?« Pentzien stand auf. »Was wir leisten können, liefern wir Euch so schnell wie möglich: Papierqualitäten, Druckspuren, Tinten, Fingerabdrücke – das ganze Arsenal. Wir prüfen natürlich auch, womit die Klebeflächen der Briefmarken befeuchtet wurden. Vielleicht hat der Absender sie ja von seinem Wauwau anlecken lassen, bevor er ihn auf dem Tierfriedhof abgelegt hat. Denn ich sage euch: Der Homo sapiens sapiens ist vor allem ein Homo mentis pathologicus – und mir ist schietegal, ob das falsches Latein ist. Tschüß, ciao und hasta la vista, babies, ich habe zu tun!«
»He, dein Kaffee!«, rief Breithaupt.
»Hier gibt es keinen.«
»Aber …«
»Das ist Spülwasser. Ich brauche jetzt etwas, wovon man Herzflimmern bekommt«, polterte Pentzien und ging hinaus.
Barbara reichte Breithaupt ihren USB-Stick. »Kannst du mir das bitte ausdrucken?«
»Gern. Aber eine Hand wäscht die andere. Ich habe ein
Schreiben an die schwedische Reichspolizei. Schaust du da bitte drauf? Mein Englisch ist nicht das beste.«
»Und meins erst! Es wäre besser, einen vereidigten Übersetzer zu fragen, der Schwedisch kann.«
»Ich möchte aber, dass das Fax morgen früh in Stockholm auf dem Tisch liegt.«
»Dann klingel einen Übersetzer aus dem Bett!«
»Du machst mir Spaß. Weißt du, was das kostet?«
»Umsonst ist der Tod.«
»Hast du eine Ahnung. Selbst ein natürliches Ableben verschlingt Unsummen. Der Kapitalismus schlägt noch aus Leichen Profit.« Breithaupt druckte, obwohl seine Hand ungewaschen bleiben würde.
Als sie mit den Blättern wedelnd zurückkehrte, deutete Uplegger bloß auf ihren Drucker. Der hatte zwischenzeitlich tatsächlich noch gearbeitet und einen fingerdicken Stapel Papier voller Steuerzeichen ausgespieen. Kopfschüttelnd legte Barbara ihn zum Schmierpapier.
»Kollegin Hölzel hat angerufen.« Uplegger war immer noch bei EVA. »Den Mercedes der Wetterstroms haben sie nicht gefunden, obwohl sie ganz Nienhagen durchgekämmt haben. Auch zu Roger W. Bach gibt es nichts Neues.«
»Was ist mit den Autoschlüsseln?«
»Da müssen Sie die Spusi fragen. Ich vermute, dass die Täter den Wagen gestohlen haben.«
»Tötet man eine ganze Familie, nur um an einen Mercedes zu kommen?«
»Muss ich darauf antworten?« Uplegger startete eine neue Suchanfrage, Barbara widmete sich dem Kühlschrank. Sie köpfte ein weiteres Bier, sank auf ihren Sessel und schaute zum Fensterbrett. Das erwartete Pfützchen hatte sich gebildet, und erste Tropfen fielen auf das zerschlissene Linoleum.
»Ah!«, rief Uplegger.
»Klingt ja wie eine tiefere Erkenntnis. Gibt es nicht eine Kindersendung … Wissen macht Ah! oder so?«
Uplegger hob den Kopf. »Ich wüsste zu gern, woher Sie Kindersendungen kennen.«
»Warum haben Sie Ah! gemacht?«
»Raubgrabungen. Das scheint mir ein neues Freizeitvergnügen zu sein. Allein im letzten Jahr wurden im Bundesland 17 illegale Schatzsucher auf frischer Tat ertappt; es gibt sogar Typen, die sich über offizielle Grabungsstätten hermachen, während die Archäologen ihr Feierabendbier trinken. Mit der Beute lässt sich anscheinend gutes Geld verdienen. Soviel zum Background. Warum ich Ah! gemacht habe: Es gibt da einen gewissen Mark Hähnel aus Bad
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